Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
sich vor ihm auf. Patty saß nur da und wäre am liebsten im Erdboden versunken. Sie hörte, wie Diane und Collins sich hinter ihr anfauchten, und sah zu, wie die Frau an der Theke eine neue Kanne Kaffee kochte. Sie versuchte, sich ausschließlich für den Kaffee zu interessieren. Für eine Sekunde funktionierte es sogar, dann wurde sie von Diane aus dem Restaurant geschleift, neben sich Libby mit donutverschmiertem Mund.
Auf dem Heimweg hätte Patty gern geweint, aber sie wollte lieber damit warten, bis Diane nicht mehr da war. Diane zwang sie zu fahren, denn sie sagte, das würde ihr helfen, sich zu konzentrieren. Aber die ganze Fahrt musste Diane ihr sagen, in welchen Gang sie schalten sollte, so durcheinander war sie.
Warum versuchst du’s nicht mal mit dem dritten, Patty? Ich glaube, jetzt musst du in den zweiten runtergehen
. Libby saß auf dem Rücksitz, sagte nichts und rollte sich zusammen, die Knie unterm Kinn.
»Wird jetzt was Schlimmes passieren?«, fragte sie schließlich.
»Nein, Schätzchen.«
»Es kommt mir aber so vor.«
Da überkam Patty wieder die Panik: Was zur Hölle stimmte nicht mit ihr, dass sie eine Siebenjährige in diese Situation brachte? So etwas hätte ihre eigene Mutter nie getan. Andererseits hätte ihre Mutter Ben auch niemals so erzogen, wie Patty ihn erzogen hatte – schludrig, larifari –, also wäre es sowieso kein Thema gewesen.
Momentan hatte sie fast zwanghaft das Bedürfnis, endlich nach Hause zu kommen, sich zu verkriechen, ein bisschen Geborgenheit zu fühlen. Der Plan war, dass Patty warten würde, bis Ben heimkam – er musste ja bald kommen –, während Diane loszog und sich genauer über die Gerüchte informierte, die in Umlauf waren. Wer was wusste, auf welche Seite die Leute sich schlugen und mit wem Ben in Gottes Namen eigentlich rumhing.
Als sie vor dem Haus ankamen, sahen sie neben Pattys Cavalier noch ein anderes Auto, einen Sportwagen mit Schalensitzen, vielleicht zehn Jahre alt und mit Schlamm bespritzt.
»Wer ist das denn?«, fragte Diane.
»Keine Ahnung«, antwortete Patty, und ihre Stimme klang tragisch, weil sie wusste, wer immer es sein mochte, er würde schlechte Nachrichten bringen.
Sie öffneten die Tür, und ein Schwall Wärme schlug ihnen entgegen. Jemand hatte schon wieder den Thermostat hochgestellt, garantiert über sechsundzwanzig Grad. Als Erstes sahen sie eine offene Schachtel Mikrowellenkakao auf dem Esszimmertisch, die Sorte mit den falschen Marshmallows, und eine Kakaospur führte in die Küche. Dann hörte Patty ein keuchendes Lachen und wusste sofort Bescheid. Runner saß auf dem Boden und schlürfte heiße Schokolade, umlagert von ihren Töchtern. Im Fernsehen lief irgendeine Natursendung, die Mädchen kreischten und klammerten sich an ihren Vater, weil ein Alligator aus dem Wasser schoss und nach einem Tier mit Hörnern schnappte.
Träge blickte Runner auf. »Hallo, Patty, lange nicht gesehen.«
»Wir haben hier eine Familienangelegenheit zu regeln«, mischte Diane sich ein. »Du solltest nach Hause gehen.«
In den Wochen, in denen Runner sich hier eingenistet hatte, war er mehrmals mit Diane aneinandergeraten – sie brüllte ihn an, und er ließ sie abfahren.
Du bist hier nicht der Herr im Haus, Diane
. Dann ging er in die Garage, betrank sich und warf stundenlang mit einem alten Baseball gegen die Wand. Von Diane würde Runner sich nicht dazu bringen lassen, nach Hause zu gehen.
»Ist schon in Ordnung, Diane. Du kannst ruhig deine Sachen regeln. Ruf mich in einer Stunde oder so an und sag mir, was los ist, okay?«
Diane sah Runner böse an, grummelte etwas, marschierte davon, und die Tür fiel krachend hinter ihr ins Schloss.
Michelle sagte: »Himmel, was ist denn in die gefahren?« und setzte für ihren Dad ein lustiges Gesicht auf. Die kleine Verräterin. Ihre braunen Haare standen wild vom Kopf ab, statisch aufgeladen, wo Runner sie gezaust hatte. Runner war schon immer komisch mit den Kindern gewesen, auf eine grobe Art liebevoll, aber nicht wie ein Erwachsener. Er zwickte und stupste sie gern, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Zum Beispiel beugte er sich, wenn sie zusammen fernsahen, plötzlich vor und klatschte einem der Mädchen mit der flachen Hand den Arm. Wenn die Betroffene ihn dann weinerlich und empört ansah, lachte er nur und rief: »Waaaas denn?« oder: »Ich hab doch nur Hi gesagt. Hi-i!« Er ging auch nie neben ihnen, sondern trottete immer ein paar Schritte hinter ihnen her und
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