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Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Titel: Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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Sechs-Reihen-Pflanzmaschine, obwohl eine für vier Reihen genügt hätte. Innerhalb eines Jahres standen ein glänzend roter Pflug und ein nagelneuer Mähdrescher auf dem Hof. Ihr Nachbar Vern Evelee, der respektable zweihundert Hektar bewirtschaftete, erwähnte demonstrativ jede Neuanschaffung, die er auf ihrem Grundstück entdeckte, immer mit einem leichten Zucken der Augenbrauen. Runner kaufte mehr Land und ein Fischerboot, und als Patty fragte, ob er sich wirklich sicher sei, schmollte er und fuhr sie an, es verletze ihn tief, dass sie so wenig Vertrauen zu ihm hätte. Aber dann ging doch alles den Bach hinunter – es war wie ein schlechter Witz. Alles kam zusammen: Carter und das russische Getreide-Embargo (bekämpft die Kommunisten, vergesst die Bauern), Zinssätze von bis zu achtzehn Prozent, der erst schleichend und dann sprunghaft ansteigende Benzinpreis, Bankpleiten, dazu die harte Konkurrenz aus Ländern wie beispielsweise Argentinien, die jetzt auf den Markt drängten. Länder, die Patty kaum kannte, und die plötzlich mit
ihr
im kleinen Kinnakee, Kansas, konkurrierten! Es folgten ein paar schlechte Jahre, und Runner war am Ende. Über Carter kam er nie hinweg, Carter wurde sein Lieblingsthema. Mit der Bierflasche in der Hand sah er sich all die schlechten Nachrichten im Fernsehen an, und wenn dann der Mann mit den großen Hasenzähnen auftauchte, wurden Runners Augen glasig, und er verströmte einen solchen Hass, als würde er ihn persönlich kennen.
    Runner gab Carter die Schuld, aber alle anderen im Städtchen schoben sie Patty in die Schuhe. Jedes Mal, wenn Vern Evelee sie sah, klackte er mit der Zunge, ein unangenehmes Pfui-schäm-dich-Geräusch. Farmer, die nicht vom Ruin bedroht waren, kannten kein Mitgefühl, sie sahen einen an, als hätte man nackt im Schnee getollt und wollte sich jetzt die Rotznase an ihnen abputzen. Letzten Sommer spielte der Einfülltrichter eines Farmers in der Nähe von Ark City verrückt und kippte viertausend Pfund Weizen über ihm aus. Der eins achtzig große Mann ertrank buchstäblich im Getreide und war erstickt, bevor man ihn befreien konnte. In Kinnakee herrschte große Trauer – allen tat dieser schreckliche
Unfall
ganz furchtbar leid –, bis herauskam, dass Vern Evelees Farm vor der Pleite stand. Da hieß es plötzlich:
Na ja, er hätte eben vorsichtiger sein sollen,
und aus aller Munde hörte man Moralpredigten, wie er sich richtig um seine Maschinen hätte kümmern müssen. So schnell kippte die Stimmung und wandte sich gegen diesen armen Mann, der von seiner eigenen Ernte getötet worden war.
    Ding-dong, ging die Klingel, und da stand Len, genau wie Patty es befürchtet hatte, überreichte Michelle seine wollene Jagdmütze, gab Debby seinen dicken Wintermantel zum Aufhängen und trat sich sorgfältig den Schnee von seinen nagelneuen Slippern. Für solche Maßnahmen hätte Ben nur Verachtung übrig gehabt, er verbrachte Stunden damit, neue Turnschuhe alt aussehen zu lassen, und ließ zu diesem Zweck sogar die Mädchen abwechselnd darauf herumtrampeln, damals, als er sie noch in seiner Nähe duldete. Libby musterte Len finster vom Sofa aus und wandte sich dann wieder dem Fernseher zu. Libby liebte Diane, und dieser Typ war nicht Diane. Dieser Typ hatte sie ausgetrickst, denn sie war zur Tür gelaufen, und da war nicht Diane gewesen.
    Len sagte nie Hallo zur Begrüßung, er stieß eine Art Jodler aus.
Ha-llo-oh!
Patty musste sich jedes Mal zusammenreißen, weil es so albern klang. Als sie jetzt den Korridor hinunterging, jodelte Len auch prompt los, und sie musste schnell im Badezimmer verschwinden und eine Sekunde vor sich hinfluchen, bevor sie ihr höfliches Lächeln wieder aufsetzen konnte. Len umarmte sie immer, was er bestimmt mit keinem der anderen Farmer tat, die seine Dienste beanspruchten. Deshalb ging sie auch heute starr auf seine ausgebreiteten Arme zu und ließ ihn seine Zeremonie durchziehen. Wie üblich hielt er sie eine Sekunde zu lang fest, die Hände auf ihren Ellbogen, und sie hörte ihn tief einatmen, als würde er an ihr riechen. Er stank nach Wurst und Pfefferminzbonbons. Irgendwann würde er einen echten Annäherungsversuch unternehmen und Patty zwingen, eine echte Entscheidung zu treffen, und bei dieser Vorstellung hätte sie am liebsten losgeheult, so jämmerlich wurde ihr zumute. Der Jäger und die Gejagte, aber es war eine ziemlich schlechte Show: Er ein dreibeiniger, unterentwickelter Kojote, sie ein müdes, hinkendes Kaninchen.

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