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Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Titel: Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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klingelnden Telefon. Patty hatte ihnen eingeschärft, sie sollten unbedingt drangehen, falls Ben anrief. Allerdings war es sehr unwahrscheinlich, dass sie sich an die Anweisung hielten, denn sie waren seit heute Morgen total verängstigt. Wenn jemand vorbeikam, würde er drei unbeaufsichtigte, verheulte Kids vorfinden, die Älteste zehn, die beiden anderen noch jünger, die im Wohnzimmer kauerten und bei jedem Geräusch zusammenzuckten.
    »Vielleicht hätte eine von uns doch lieber zu Hause bleiben sollen … für den Fall des Falles«, sagte Patty.
    »Unter den momentanen Umständen gehst du nirgendwo allein hin, und ich weiß nicht, wo ich Ben suchen soll. Wir tun das Richtige. Michelle ist ein großes Mädchen. Und ich hab schon auf dich aufgepasst, als ich jünger war als sie.«
    Aber das war damals, zu einer Zeit, als das noch ganz normal war, dachte Patty. Damals gingen die Leute die ganze Nacht aus, ließen die Kinder allein zu Hause, und keiner dachte sich etwas dabei. In den fünfziger und sechziger Jahren, draußen auf der stillen Prärie, wo nie etwas passierte. Jetzt durften kleine Mädchen nicht mehr allein mit dem Fahrrad fahren und nur noch in Grüppchen von mindestens dreien losziehen. Patty war auf einer Party bei einer von Dianes Kolleginnen gewesen, eine Art Tupperparty, aber mit Trillerpfeifen und Tränengas statt mit Plastikboxen. Ganz harmlos, nur so als Witz, hatte sie gesagt, dass doch wohl nur ein total Irrer den ganzen Weg bis Kinnakee fahren würde, um dort jemanden zu überfallen. Da hatte eine blonde Frau, die sie gerade erst kennengelernt hatte, von ihrem soeben erworbenen Schlüsselanhänger mit Pfefferspray aufgeblickt und gesagt: »Eine Freundin von mir ist hier in der Gegend vergewaltigt worden.« Daraufhin bekam Patty ein so schlechtes Gewissen, dass sie gleich mehrere Dosen Abwehrspray kaufte.
    »Die Leute halten mich für eine schlechte Mutter, das ist der Grund für den ganzen Aufruhr.«
    »Niemand hält dich für eine schlechte Mutter. Und in meinen Augen bist du sowieso Superwoman: Du hältst die Farm am Laufen, sorgst jeden Tag dafür, dass deine Kinder in die Schule gehen, und brauchst keine vier Liter Bourbon, um das alles zu schaffen.«
    Sofort fiel Patty der eiskalte Morgen vor zwei Wochen ein, als sie vor Erschöpfung fast geheult hätte. Sich anzuziehen und die Mädchen in die Schule zu fahren war ihr völlig undenkbar erschienen. Da hatte sie die Mädchen zu Hause bleiben lassen, und sie hatten zehn Stunden Soaps und Gameshows mit ihr angeschaut. Den armen Ben hatte sie gezwungen, mit dem Rad zur Schule zu fahren, und ihn mit dem Versprechen aus dem Haus gescheucht, sie würde wieder einmal einen neuen Antrag stellen, dass der Schulbus nächstes Jahr auch bei ihnen halten würde.
    »Ich bin keine gute Mutter.«
    »Sag das nicht dauernd.«
     
    Die Muehlers hatten ein anständiges Stück Land, mindestens hundertsechzig Hektar. Ihr Haus war allerdings winzig und sah aus wie eine Butterblume, ein gelber Klecks, umgeben von grünem Winterweizen und Schnee. Inzwischen war der Wind noch stärker geworden; der Wetterbericht hatte für die Nacht weitere Schneefälle vorhergesagt, danach aber sprunghaft ansteigende, fast frühlingshafte Temperaturen. Die Vorhersage war ihr deutlich im Gedächtnis geblieben: sprunghaft ansteigende, fast frühlingshafte Temperaturen.
    Sie fuhren die schmale, wenig einladende Schotterstraße entlang, die zum Haus der Muehlers führte, vorbei an einer Ackerfräse, die wie ein Tier im Eingang der Scheune kauerte. Ihre Haken warfen klauenförmige Schatten auf den Boden. Diane räusperte sich ausgiebig, wie sie es immer tat, wenn sie sich unbehaglich fühlte, eine vollkommen nutzlose Angewohnheit, die nur dazu diente, die Stille zu übertönen. Als die beiden Schwestern ausstiegen, sahen sie einander nicht an. Wachsam hockten die Grackeln in den Bäumen und krächzten ununterbrochen, bösartige, laute Vögel. Eine flog mit einem silbern flatternden Stück Lametta im Schnabel an ihnen vorbei. Ansonsten regte sich nichts, keine Motoren, keine Tore, die zuklackten, kein Fernseher im Innern des Hauses, nur das Schweigen der schneebedeckten Landschaft.
    »Ich sehe nirgends Bens Fahrrad«, stellte Diane lakonisch fest, als sie den Türklopfer bedienten.
    »Er könnte es hinten abgestellt haben.«
    Ein Junge, in dem Patty Ed zu erkennen glaubte, öffnete die Tür. Jim, Ed und Ben gingen in die gleiche Klasse, aber die Brüder waren keine Zwillinge, sondern

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