Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
rausgefunden, dass seine Tochter gelogen hat. Er hat eine unschuldige Familie ermordet, völlig grundlos. Infolgedessen löst sich seine eigene Familie auf. Lou Cates verschwindet und fängt an zu saufen.«
»Infolgedessen?«, hakte ich ein.
»Ja, das ist eine solide Theorie. Findest du nicht?«
»Ich finde, du solltest zu solchen Gesprächen nicht mehr mitkommen. Das ist nur peinlich.«
»Libby, ich finanziere schließlich diese ganze Sache.«
»Na gut, aber du bist nicht sonderlich hilfreich.«
»
Entschuldige vielmals
«, sagte er, und wir hörten auf zu reden. Als die Lichter von Kansas City den Himmel in der Ferne kränklich orange zu färben begannen, wiederholte Lyle, ohne mich anzusehen: »Aber es ist wirklich eine solide Theorie, oder etwa nicht?«
»Alles sind nur Theorien, deshalb ist der Fall ja so ein
Rätsel!
«, äffte ich ihn nach. »Ein riesengroßes Rätsel. Wer hat die Days getötet?«, rief ich. Nach ein paar Minuten fügte ich widerwillig hinzu: »Die Theorie ist ja ganz okay, aber ich finde, wir sollten uns auch Runner noch mal anschauen.«
»Nichts dagegen. Obwohl ich Lou Cates trotzdem ausfindig machen werde.«
»Meinetwegen gern.«
Ich setzte Lyle vor Sarah’s ab, ohne das Angebot, ihn heimzufahren. Er stand auf dem Bordstein wie ein Kind, das völlig verwirrt ist, weil seine Eltern tatsächlich den Nerv haben, es allein im Sommercamp abzuladen. Ich kam schlecht gelaunt nach Hause, begierig, mein Geld zu zählen. Bisher hatte ich beim Kill Club tausend Dollar gemacht, fünfhundert schuldete Lyle mir noch für Krissi, auch wenn Krissi ja zweifellos mit jedem geplaudert hätte. Aber ich wusste, dass das so nicht stimmte. Keiner von diesen verqueren Typen beim Kill Club hätte das alles aus Krissi rausgeholt. Sie hat mit mir geredet, weil wir die gleichen chemischen Bestandteile im Blut haben: Scham, Wut, Gier. Ungerechtfertigte Nostalgie.
Ich hab mir mein Geld redlich verdient, dachte ich, grundlos gereizt. Für Lyle schien es vollkommen in Ordnung zu sein, dass er mich bezahlte. Aber trotzdem hatte ich wütende Abwehrdiskussionen im Kopf und wurde sauer wegen Dingen, die gar nicht passiert waren. Noch nicht.
Ich hatte mein Geld verdient (jetzt fühlte ich mich etwas ruhiger), und wenn ich etwas von Runner hörte, wenn ich mit Runner sprach, würde ich noch mehr Geld verdienen, viel mehr, und für mindestens vier Monate ausgesorgt haben. Wenn ich sehr sparsam lebte.
Fünf sogar: Als ich heimkam, war Lyle schon auf meinem Anrufbeantworter mit einer Nachricht, dass ein paar lokale Kill-Club-Fans eine Tauschbörse organisieren und »Memorabilien« meiner Familie kaufen wollten. Magda wäre bereit, die Gastgeberin zu spielen, falls ich Interesse hätte.
Ja, Magda, ich bin ganz scharf darauf, in deiner Wohnung zu Gast sein zu dürfen. Wo bewahrst du noch mal das Silber auf
?
Ich stellte den Anrufbeantworter aus, den ich in meiner vorletzten Wohnung von einer Mitbewohnerin geklaut hatte. Wieder dachte ich an Krissi – wahrscheinlich war bei ihr zu Hause auch alles mit dem Zeug anderer Leute vollgestopft. Ich hatte einen gestohlenen Anrufbeantworter, eine fast vollständige Restaurant-Besteckgarnitur und ein halbes Dutzend Salz- und Pfefferstreuer, unter anderem das neue Set aus Tim Clarke’s. Aus irgendeinem Grund brachte ich es nicht über mich, es vom Flurtisch in die Küche zu räumen. In einer Ecke meines Wohnzimmers, neben meinem alten Fernseher, steht eine Schachtel, in der ich über hundert Fläschchen mit Handlotion aufbewahre, die ich habe mitgehen lassen. Ich sehe mir die Fläschchen gern in ihrer Gesamtheit an, rosa und lila und grün. Besucher würden das wahrscheinlich verrückt finden, aber mich besucht sowieso niemand, und ich mag die Fläschchensammlung viel zu sehr, um sie wegzuschmeißen. Die Hände meiner Mutter waren immer rau und trocken, obwohl sie sie ständig einschmierte – es nutzte einfach nichts. Wir neckten sie gern damit, und wenn sie uns berührte, schrien wir: »Nein, Mom, lass das, du fühlst dich an wie ein Alligator!« Auf der Damentoilette der Kirche, die wir phasenweise besuchten, gab es Handlotion, und Mom behauptete, sie würde nach Rosen riechen. Abwechselnd drückten wir auf den Spender, schnupperten an unseren Händen und machten einander Komplimente, wie damenhaft wir dufteten.
Kein Anruf von Diane. Inzwischen musste sie meine Nachricht bekommen haben, und sie hatte nicht zurückgerufen. Das war seltsam. Diane hatte es mir sonst immer
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