Dark Road
Clovis.
»Nein«, sagte Zack schnell. »Er war immer in Gefahr.Vielleicht ist etwas passiert, und er musste uns verlassen, um uns zu schützen. Wenn er eine neue Identität annehmen musste, war es sicherer, diese Dinge nicht zu tragen - so einen markanten Ring, den jemand wiedererkennen könnte ...«
Irgendwo unter ihnen ertönte ein Geräusch. Der Hund stand auf, seine Ohren zuckten.
»Zack?«, rief Mariette. »Clovis?« Wo seid ihr? Was macht ihr?«
Schritte.
»Alles okay, Mum«, rief Zack. »Wir sind nur, wir sind ...«
Clovis rollte hektisch das Bild zusammen. Zack schnappte sich die Karte und stopfte sie zurück in die Flasche. Um ein Haar hätte er den Korken fallen lassen. Da entdeckte er noch ein Stück Papier auf dem Boden der Truhe. Nur ein kleines, gelblich, alt und gefaltet. Aber dafür war jetzt keine Zeit mehr. Er griff nach den Zeitungsausschnitten und wickelte die Taschenuhr ein.
Im nächsten Augenblick warfen sich beide mit ihrem ganzen Gewicht auf den Deckel der Truhe. Ganz langsam schloss sie sich. In letzter Sekunde hörte man ein Knarzen und das Rattern von Zahnrädern irgendwo in der Wand, und die Truhe rutschte zurück. Ein Stück falsche Wand auf einem Holzbrett schob sich langsam nach vorne und verbarg die Truhe hinter sich.
»Seid ihr auf dem Dachboden? Was macht ihr denn da um diese Uhrzeit? Ich dachte, ihr seid längst im Bett!«
Zweifellos war sie jetzt direkt unter ihnen. Die Leiter knarrte, sie kam hoch. Clovis deutete mit weit aufgerissenen Augen auf den Boden: Da lag der Ring. Zack griff danach und steckte ihn in seine Schlafanzugtasche.
»Wir gehen nur rauf auf die Aussichtsplattform, Mum«, rief er.
»Was wollt ihr denn da oben? Es ist dunkel, ihr könnt doch überhaupt nichts sehen. Was sucht ihr denn überhaupt?« Kopf und Schultern erschienen in der Luke. Auf ihrem Gesicht lag der Schatten der Kerzenflamme.
»Es ist Vollmond, Mum«, sagte Clovis mit gekünstelter, angespannter Stimme. »Es kann doch nichts schaden, einen Blick auf die Straße zu werfen nach der heutigen Nacht.«
Sie sah ihn an, als wollte sie etwas sagen. Dann nickte sie langsam und stieg die Leiter wieder hinunter. Nicht ohne einen schnellen, verstohlenen Blick zu der Stelle zu werfen, an der die Truhe in der Wand verschwunden war.
KAPITEL 11
Der Sturm war vorüber. Trotzdem ächzte und knarrte der Aussichtsbaum noch in der Ruhe nach dem Sturm. Es war eine wilde Zeder, der höchste und breiteste Baum, der in der Wildnis wuchs.
Eine Reihe kleiner Plattformen, die zur Absicherung mit Leitern und geteertem Seil verbunden waren, führte fast bis zur Spitze. Alles war glitschig, nass und kalt. Je höher Zack im Mondlicht von einer Plattform zur nächsten kletterte, desto schmäler wurde der Baumstamm, und die Blätter boten immer weniger Schutz. Umso schlimmer, dass die anderen, kleineren Bäume rundherum auch nur bis zu einer bestimmten Höhe reichten und sich immer mehr ausdünnten. Und schließlich lauerte nur noch der schwarze Abgrund unter ihm, wohin er auch sah.
Kurz vor der höchsten Plattform hielt er einen Moment lang inne. Er lehnte sich gegen die abblätternde Rinde des Baumes, ganz allein zwischen Himmel und Erde, und spürte den Ring in seiner Tasche. Er umschloss ihn mit der Hand, zog ihn hervor und sah ihn sich genau an. Er fühlte sich glatt und abgetragen an.
Zack streifte ihn sich über den Finger, nicht den Ringfinger, dafür war er zu groß. Er steckte ihn an den Mittelfinger, und selbst dort saß er noch etwas lose. Er spürte ihn auf seiner Haut. Jemand hatte ihn sicher sehr lange getragen und vielleicht nie abgenommen. Vielleicht hatte ihn aber auch ein anderer am Ende sehr vorsichtig abgezogen, von einer Hand, die schon kalt war. Oder er wurde einfach heruntergezerrt, gleichgültig, nachlässig ... und in einen Umschlag gesteckt, auf dem »Persönliche Gegenstände zur Rückgabe an Verwandte« stand ...
Der Baum schwankte unter einem plötzlichen Windstoß und Zack umschlang den Stamm. »Er ist bestimmt tot«, hatte Clovis gesagt.
Zack stieg höher, müde und ausgelaugt, bis er endlich die letzte Plattform erreichte und die kalte Luft ihn umfing. Er sah hinab, über den Fuß des Berges zu der fernen, glitzernden Stadt unter ihm und dem silbernen Schimmer des Meeres.
In diesem Augenblick streifte ihn etwas am Bein. Gerade noch konnte er einen Schrei unterdrücken — es war nur der Hund.
»Du bist ja ein unglaublicher Kletterer«, sagte er und traute sich, ihn am Kopf
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