Dark Road
Clovis.
Die Straße wurde ebener, einen kurzen Abschnitt lang sogar flach.
Zu ihrer Linken tauchte plötzlich ein bedrohlicher Abhang auf, diesmal ganz kahl und baumlos. Als wäre der Berg verletzt worden. Die Überreste eines schwindelerregenden Steinschlags.
Ein tiefer Abgrund im Dämmerlicht.
Zacks Herz schlug schnell und er versuchte seinen Griff ums Steuer zu lockern. Das Fahren an sich war sehr anstrengend, und er brachte den Van nur mit einiger Mühe zum Stehen, um eine kurze Pause einzulegen. Sie hielten neben einer riesigen frei stehenden wilden Zeder, direkt am Rand des Abgrunds. Moe heulte plötzlich auf.
»SCHHH!«, zischte Zack.
Clovis hielt sich mit gequältem Gesicht die Hände an die Ohren. Moe hatte den Kopf zurückgeworfen und heulte immer weiter.
Schließlich endete er mit einem ausklingenden, abfallenden Ton, der aus einer uralten Zeit zu kommen schien. Moe öffnete die Augen und blickte durch das Fenster in den Abgrund.
Stille. Clovis nahm ganz, ganz langsam seine Hände von den Ohren.
Zack fluchte über seine Unerfahrenheit und startete hastig wieder den Wagen. Sie schossen nach vorne. Clovis beugte sich vor und schaltete die Scheinwerfer ein. Die Straße fiel in einer großen Kurve zwischen bedrohlich aufragenden Bäumen weiter ab.
Ein Wolf rannte vor ihnen über die Straße und dann noch einer. Zack trat mit voller Kraft auf die Bremse.
»Das glaub ich einfach nicht«, flüsterte er.
Die Wölfe blieben stehen, ihre Körper waren dunkel und schwer auszumachen, aber ihre Augen leuchteten wie Goldmünzen.
Clovis blendete das Licht ab, und jetzt waren die Wölfe groß, voller Narben und Kraft zu erkennen. Ein dritter kam dazu. Alle starrten auf den Eis-Engel.
»Naja«, flüsterte Clovis. »Es ist ihre Straße.«
Zack nickte.
»Wir bleiben einfach im Wägen«, fügte Clovis hinzu.
Zack nickte wieder. Waren denn alle Wölfe so groß?
»Was machen die da eigentlich, was denkst du?«
Die Wölfe kamen langsam auf sie zu und machten direkt vor dem Kühlergrill mit dem Engel halt. Dann gingen sie an ihm vorbei, bis zu Moes Tür.
Einer von ihnen, der größte mit den meisten Kampfnarben, stellte sich auf die Hinterbeine, stützte sich mit den Vorderzähnen an der Tür und schob sein Gesicht vor das Fenster. Zack und Clovis stießen beide leise Schreckenslaute aus.
Der Wolf war schwarz und um die Schnauze grau. Er hatte eine Narbe, die vom Ohr abwärtsführte und sich im zottigen Fell seines Halses verlor. Seine Augen waren blau. Nur ein Stück Glas trennte ihn von Moe. Glas, das er sicher mit einem einzigen Schlag zertrümmern konnte. Er starrte Moe an, und Moe setzte sich sehr aufrecht hin, wandte sich ihm zu und starrte zurück. Sein Gurt war noch immer um seine Brust geschlungen.
Nach einer kurzen Weile ließ sich der Wolf wieder auf die Straße sinken.
Die Jungen sahen dem Ganzen schweigend zu. Alle drei Wölfe entfernten sich ein kleines Stück, drehten dann in Richtung des Berges ab und verschwanden zwischen den dunklen Bäumen.
Clovis schluckte laut. »Ich glaube, sie sind weg«, sagte er mit etwas höherer Stimme als sonst.
»Ja«, meinte Zack.
»Und du hast vor, diese Straße öfter zu benutzen? Fast jede Nacht?«
»Ja«, sagte Zack und hantierte mit den Knöpfen. Die Scheibenwischer glitten plötzlich über die Vorderscheibe, und ein Strahl schaumigen Wassers schoss aus der Motorhaube.
»Muss die Scheibe geputzt werden?«
»Wahrscheinlich nicht«, sagte Zack. »Ich dachte, das wäre der Knopf für die Heizung. Ach, hier ist ...«
Das Radio brüllte knatternd und brummend los.
»... und bis zur nächsten Wahl, hebe Hörer, ist es nicht mehr weit, also bis wir alle wieder Bürgermeister Scarspring wählen dürfen, oder eben auch nicht«, flüsterte Momma Truth. »Hier bei Barnacle Radio stellen wir die Fragen, die sonst nicht gestellt werden. Ist Anselm Scarspring wirklich der großherzige Wohltäter, als den wir ihn alle kennen und lieben? Warum holt er sich für jede noch so winzige Kleinigkeit den Rat von Steward Golightly, der nicht gewählt wurde und nichts mit dem Rathaus zu tun hat, sondern ein großer Fisch in der Geldmaschine Scarspring ist? Irgendwie scheint niemand unserem lieben Freund Golightly so recht zu trauen, oder? Ihm wurden in den letzten Jahren Erpressung, Bedrohung und jede Menge anderer unerfreulicher Dinge vorgeworfen, aber irgendwie kommt er da immer wieder raus. Seltsam, nicht? Also ich kann nur sagen, ich hätte auch gern jemand, der die
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