Dark Room
»Erkenne dich selbst« und »Alle Wege hier sind meine Wege«, sondern auch ein Monitor, der ihr Gesicht zeigte, verpixelt und geisterhaft bläulich-weiß. Irgendeine Kamera hatte sie erfasst, aber sie entdeckte keine. Fiona öffnete die Saloontür, die mit einem Quietschen aufschwang, und ging ein paar Schritte durch die Installation. Die Luft war stickig, und es roch durchdringend nach frisch bearbeitetem Holz und Leim und Farbe. Dann, nach einer Biegung, war ihr Weg schon beendet. Sie musste umdrehen. Vor ihr stand ein Monitor, der ihr ihre Rückseite zeigte. Noch während sie überlegte, von wo aus sie aufgenommen wurde, flackerte das Bild, und sie sah sehr verschwommen ihr suchendes Gesicht mit zwei dunklen Flecken, den Schatten ihrer Augen. Schließlich fand sie die richtige Lücke und betrat einen neuen Gang, der sie weiter ins Innere führte. Sie tastete sich vorwärts, erlebte sich lang gezogen wie auf einer Streckbank, mit eingedelltem Gesicht und riesig aufgeblähter Stirn, kaleidoskopartig zusammengesetzt mit mehreren Armen und Beinen. Dann kam ein Bildschirm, der ihre unsicheren Schritte vorführte, sie überlegte, wann das gewesen sein sollte, und erkannte die Eingangspforte des Museums wieder, an der sie nur zögernd weitergegangen war, weil sich ihre Augen erst an die Dunkelheit gewöhnen mussten. Zum Schluss, und das traf sie schockartig, weil sie damit nicht gerechnet hatte, sah sie sich einfach so, wie sie war: klein und zierlich, die fast weißen Haare zu einem Zopf geflochten, der Blick konzentriert und ernst. Genau hinter diesem unverzerrten Spiegel stand sie plötzlich vor einer schwarzen Gestalt, und sie schrie kurz auf. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
Der Mann trug trotz der Wärme einen Ganzkörperanzug aus knirschendem schwarzem Lack, der bis über den Kopf ging und nur die Augen und den Mund frei ließ. Er griff sie und zog sie hinter den nächsten Spiegel. Sie stolperte, aber der Lacksklave schob sie weiter ins Innere des Kabinetts. Er kannte den Weg genau, er zögerte nie, führte sie links-und rechtsherum, an Monitorflächen voll rauschendem Weiß vorbei, und Fiona bekam nach einer Weile das Gefühl, er versuche bewusst, ihr die Orientierung zu nehmen. Sie hatte jetzt schon keine Ahnung mehr, wie sie jemals wieder zum Eingang finden sollte. Ihr eigenes Gesicht sah ihr überall entgegen.
Sie hielten an.
Er stand hinter ihr und zog ihr die dünne Jacke von den Schultern. Dann umfasste er ihre Taille und nestelte an dem Knopf ihrer Shorts. Sie wand sich, aber der Sklave griff sie umso fester und hauchte in ihr Ohr: »Bitte ergebenst, meine Befehle ausführen zu dürfen. Du musst unbekleidet vor die Herrin treten.«
Die Labyrinth-Partys waren videoüberwacht, die Grinsekatze hatte sie also schon zigmal vögeln sehen, vielleicht war es ihre persönliche Vorliebe, mit nackten Mädchen zu sprechen. Vielleicht wollte sie auch bloß ihre Macht demonstrieren und zeigen, dass sie es war, die hier alles kontrollierte.
Fiona ergab sich und ließ sich ausziehen. Nur den Umschlag mit den Fotos hielt sie fest umklammert.
»Es ist wegen der Elektronik«, sagte eine warme, volltönende und fast singende Stimme ganz in ihrer Nähe. Fiona nahm ihr Kleidungsbündel unter den Arm. Sie wurde weitergeführt und trat zwischen zwei Spiegeln hindurch. Vor ihr lag im Halbdunkel, hingebreitet auf einer violetten Chaiselongue, eine Frau, die vom Hals bis zu den Fußknöcheln in ein Gouvernanten-Outfit aus schwarzer Seide gehüllt war. Die Grinsekatze.
Das Kleid raschelte, als sie sich aufsetzte und Fiona zu sich winkte. Auf ihrem Kopf türmte sich eine Rokoko-Perücke aus purpurnem Haar. Vor ihr Gesicht hielt sie eine Lorgnonmaske aus schwarzer Spitze, sodass Fiona nur den ebenfalls purpurn geschminkten Mund sah, der sie freundlich anlächelte. Ihre Taille war so schmal zusammengeschnürt, dass Fiona sich fragte, wie man darin atmen oder sich bewegen konnte. Um ihren Hals baumelten lange schwarze Perlenketten, die sie unaufhörlich durch ihre Finger gleiten ließ. Nur die Hände und die Füße waren nackt und fielen wie angeleuchtet direkt ins Auge. Fiona bemerkte, dass der Sklave gebannt auf diese Füße starrte.
»Es ist wegen der Elektronik«, wiederholte die Grinsekatze, »aber wo bleiben meine Manieren. Bevor man etwas sagt, sagt man erst mal Guten Tag.« Sie beugte den Kopf. »Guten Tag. Handys, Kameras, Mikrofone, das ganze Zeug. In deiner Muschi wirst du so was wohl kaum verstecken. Ich kenne dich
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