Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
Tochter – Julie – hat übrigens schon ein paar Wochen nach Semesterbeginn das Studium abgebrochen. Ist einfach auf und davon und zu ihrem Freund nach Santa Rosa gezogen. Jetzt jobbt Julie als Kellnerin in einem Café. Ihre Mutter war also nicht auf dem Weg zu ihr.«
»Warum wollten Marla und Pam dann nach Santa Cruz?«
»Vielleicht hat man nur angenommen, dass sie dorthin wollten, wegen der Kleinen. Wer weiß, ob MrsDelacroix und Ihre Schwägerin nicht Thelma und Louise spielen und einfach die Küste entlangfahren wollten. Womöglich nach L. A. oder Mexiko.«
»Schon wieder eine Sackgasse«, knurrte Nick.
»Oder eine weniger.«
»Warum waren die beiden zusammen?«
»Gute Frage«, erwiderte Walt. »Aber höchstwahrscheinlich nicht, um Tennis zu spielen. Soweit ich weiß, war Pam Delacroix nie Mitglied in Marlas Tennisclub. Ich bezweifle, dass sie überhaupt einen Schläger besaß. Sie war eher ein Bücherwurm als eine Sportlerin.«
»Ach ja?«
»Ich habe mit ihrem Ex und ein paar Freunden gesprochen. Die einzige Verbindung zu deiner Familie besteht anscheinend darin, dass sie der Dreifaltigkeitskirche in Sausalito angehört.«
»Wo Cherise’ Mann Pastor ist«, ergänzte Nick und kniff die Augen zusammen.
»Genau.«
Nick ließ die Informationen auf sich wirken, aber einiges passte nicht recht. »Ich glaube nicht, dass Marla eine eifrige Kirchgängerin ist.«
»Nein, sie gehört nicht zur Gemeinde. Aber ich vermute, dass sie Pam durch Cherises Mann kennengelernt hat. Der Pastor war eine Zeitlang in Cahill House beschäftigt. Hat gefallene Mädchen seelsorgerisch betreut und sich dabei selbst in die Nesseln gesetzt.«
»Tatsächlich?«, fragte Nick. Ihn beschlich ein ungutes Gefühl.
»Anscheinend konnte er die Finger nicht von einer der ledigen Mütter lassen.«
»Scheiße.«
»Daraufhin hat dein Bruder ihn gefeuert. Das war vor etwa einem Jahr. Es gab einen Riesenskandal – die Einrichtung ist damals ziemlich unter Beschuss geraten. Ich habe Kopien von den Zeitungsartikeln, die kann ich dir faxen. Allerdings kam die Sache nie vor Gericht, und der Prediger ist in seine Gemeinde in Sausalito zurückgekehrt.«
»Und damit war der Fall erledigt?« Nick konnte es nicht fassen.
»Offenbar haben seine Schäfchen und das Mädchen, mit dem er sich eingelassen hatte, ihm großmütig verziehen.« Walt legte eine Pause ein, um sich eine Zigarette anzustecken. Nick hörte deutlich das Klicken des Feuerzeugs.
»Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Mann, du hast vielleicht ein paar Spinner in deiner Verwandtschaft!«
»Erzähl mir was Neues«, erwiderte Nick, zog das zweite Kissen von der anderen Betthälfte zu sich heran und schob es sich unter den Kopf. Dann nahm er Block und Stift vom Nachttisch.
»Gut, wie wär’s hiermit? Marlas alter Herr, Conrad Amhurst, liegt im Sterben.«
»Davon habe ich bereits gehört.«
»Und ich kann mir vorstellen«, fuhr Walt mit unverhohlener Verachtung fort, »dass die übrige Familie sabbernd darauf wartet, dass er den Löffel abgibt. Er hinterlässt schließlich Millionen. Und das Tollste: Den Großteil davon vermacht er dem Baby.«
»Wie bitte?«
»Du hast schon richtig gehört. Anscheinend hegt der Alte eine tiefverwurzelte Abneigung gegen Frauen, und auch wenn Marlas Sohn nicht den Namen Amhurst trägt, macht der Kerl den Kleinen doch zum Haupterben seines Vermögens, das auf über hundert Millionen geschätzt wird. In Treuhand, versteht sich.«
»Versteht sich.« Nick lehnte sich in die Kissen zurück und kratzte sein stoppeliges Kinn. »Und Marla? Ihr Bruder? Ihre Tochter Cissy?«
»Tja, die kriegen auch ein Stück vom Kuchen, aber nur ein ganz kleines. Rorys Pflege wird auf Lebenszeit gesichert, Cissy bekommt ihren Anteil mit fünfundzwanzig, vorausgesetzt, sie schließt das College ab, und Marla kriegt auch eine Kleinigkeit. Aber fünfundsiebzig Prozent des Gesamtvermögens gehen an den Neugeborenen. Wie findest du das? Erst ein paar Wochen alt und schon Multimillionär?«
»Woher weißt du das?«, fragte Nick.
»Ich weiß es, genügt das nicht?«, entgegnete Walt mit einem Lachen. »Dafür bezahlst du mich schließlich. Weißt du, Marlas alter Herr war schon immer ein eigensinniger Mistkerl. Hat sich nie an irgendwelche Regeln gehalten. Ein schwerer Trinker und ausgemachter Weiberheld. Es ist ein Wunder, dass Marlas Mutter ihn nicht verlassen hat. Wahrscheinlich hielt sie es wegen des Geldes mit ihm aus.«
»Wer kennt Conrads Letzten Willen
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