Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
Fragen trugen nichts dazu bei, den Aufenthaltsort des Mädchens ausfindig zu machen. Schließlich beendete Marla das Gespräch. So kam sie nicht weiter. Sie wollte einen Blick auf ihre Uhr werfen, stellte jedoch fest, dass sie gar keine trug.
Das war merkwürdig. Sie war sicher, dass sie immer eine getragen hatte … Himmel, unter all dem Schmuck in ihrem Zimmer würde sich doch sicher auch eine Armbanduhr finden. Die Uhr am Videorekorder zeigte an, dass es auf Mittag zuging.
Das Baby im Arm, stieg Marla die Treppe hinauf und kramte in ihrem Zimmer in dem Schmuckköfferchen, bis sie zwischen Ohrringen und Armbändern wie erwartet eine Uhr fand, mit einem Gliederarmbad aus Metall. Als sie danach griff, stutzte sie, denn dort, versteckt unter einem Paar Perlohrsteckern und einem silbernen Armband, lag ein Ring, ein hinreißender Ring. Die Facetten des blutroten Steins funkelten.
»Das ist doch nicht möglich«, flüsterte sie, nahm den Ring und legte ihn in ihre Handfläche. Unmöglich, dass sie ihn bei ihrer früheren Suche übersehen haben sollte. Mindestens ein halbes Dutzend Mal hatte sie in dem Köfferchen gekramt, und der Stein war zu groß, als dass sie ihn hätte übersehen können.
Marla steckte ihn an den Ringfinger ihrer rechten Hand. Er fühlte sich schwer und störend an, war zu groß, glitt über den Fingerknöchel. Natürlich ist er zu groß; seit dem Unfall hast du abgenommen. Sämtliche Kleider sind dir eine Nummer zu groß. Da liegt es nahe, dass der Ring und wahrscheinlich auch die Uhr nicht mehr richtig passen.
Entweder das, oder sie haben mir überhaupt nie gehört.
Sie schaute in den Spiegel über ihrem Schminktisch. Eine blasse Frau mit kurzem Haar, grünen Augen und hohen Wangenknochen blickte ihr entgegen. Die Blutergüsse waren verblasst, und abgesehen von einer kleinen Schwellung an den Wangen – Überbleibsel des Vorfalls, bei dem Nick die Drähte hatte zerschneiden müssen – war sie wieder sie selbst. Mit ihrem Baby. Dieser Teil ihres Lebens war stimmig. Doch der Rubinring passte nicht ins Bild, auch wenn sie eine leise Ahnung hatte – nur den Hauch einer Ahnung –, dass sie dieses Schmuckstück schon einmal gesehen hatte.
Bei jemand anderem? Bei wem?
Sie untersuchte den Inhalt der Schmuckschatulle. Die meisten Ohrringe, Broschen und Armreifen waren nicht wertvoll, stammten möglicherweise sogar aus einem Kaufhaus … Aber nicht dieser Ring. Sie wusste intuitiv, dass er ein kleines Vermögen wert war.
Warum bewahrte sie ihn in ihrem Zimmer auf?
Jemand hat ihn in das Schmuckkästchen gelegt, du Dummchen. Du hast ihn irgendjemandem gegenüber erwähnt, und daraufhin hat derjenige ihn zurückgelegt, oder er hat mit jemand anderem darüber gesprochen, und der hat ihn zurückgelegt. Weil jemand versucht, dich in den Wahnsinn zu treiben, oder nicht will, dass du hinterfragst, wer du bist.
Warum?
Sie ließ den Ring kurzerhand zurück in das Schmuckkästchen fallen und legte sich die Uhr ums Handgelenk. Ja, das Armband war zu weit, aber Marla nahm es hin.
James gähnte und fing an zu quengeln. Sie gab ihm einen Kuss aufs Köpfchen, ehe sie ihn in die Wiege legte. Dann sah sie zu, wie ihm die Augen zufielen und er den Daumen in den Mund steckte. Als er eingeschlafen war, ging sie hinaus in den Flur. Vor dem Gästezimmer blieb sie stehen. Die Tür stand einen Spalt offen, und sie sah eine Reisetasche in einer Ecke, ein über den Bettpfosten gehängtes Hemd. Ein Hauch von Nicks Aftershave zog in den Flur hinaus, und Erinnerungen an die vorangegangene Nacht strömten auf sie ein, ein Ansturm süßer, berauschender Verlockung. Du darfst nicht einmal daran denken, ermahnte sie sich selbst. Es war nichts als Lust. Begierde. Zwei rastlose Menschen, die ein Ventil brauchten.
Doch vorher war es nicht so gewesen.
Am Abend, als er sie zur Klinik fuhr, hatte Nick seinen Pick-up angehalten, sie in den Arm genommen und sie getröstet.
Und dann hat er dich bei Alex abgeliefert und ist davongefahren.
Weil Alex mein Mann ist, dachte sie zornig. Was hätte Nick denn tun sollen?
War Nick es nicht auch, der dich eigenhändig aus dem Bett geholt und darauf bestanden hat, dass du einen vernünftigen Arzt konsultierst? Ohne sein Einschreiten wärst du noch immer vollgepumpt mit Schmerzmitteln und Valium oder was auch immer. Beinahe hätte sie laut gelacht. Nick hatte recht. Er passte nicht in die Rolle eines Helden des 21. Jahrhunderts.
Nein, ausgeschlossen.
»MrsCahill?« Toms sanfte
Weitere Kostenlose Bücher