Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
und fügte hinzu: »Und er hat mich Kylie genannt.« Sie trommelte mit den Fingern auf die Armlehne, während Nick vom Parkplatz fuhr. »Kylie.« Der Name klang vertraut. Aber warum? War es ihr Name? Nein … das konnte nicht sein. Kannte sie jemanden, der so hieß? Sie konzentrierte sich, zog die Augenbrauen zusammen und versuchte, sich an eine Vergangenheit zu erinnern, die bruchstückhaft in ihrem Gedächtnis auftauchte. Ihre Erinnerung war noch verschattet und dunkel, wie hinter Schleiern verborgen. Der letzte Vorhang hatte sich noch nicht gehoben.
Nick sah Marla von der Seite her an, während er den Pick-up in Richtung Highway steuerte. »Sagt dir der Name was?«
»Ja … Das heißt, vielleicht.« Sie stieß den Atem aus. Dann nahm sie ihre Sonnenbrille aus der Handtasche und setzte sie auf. »Er erscheint mir … ach, ich weiß nicht.« Sie bewegte die Finger, als versuchte sie, etwas zu greifen, was sich ihr immer wieder entzog. Von der Anstrengung, sich an ihr vorheriges Leben zu erinnern, bekam sie Kopfschmerzen. »In meinem Kopf wirbelt alles durcheinander, aber ich bin sicher, den Namen schon einmal gehört zu haben und … Ach, es klingt verrückt, aber irgendwo, tief in meinem Inneren, habe ich das Gefühl, Conrad weiß besser als ich selbst, wer ich bin. Ist das nicht komisch?« Marla öffnete das Fenster einen Spalt, um die salzige Luft einzulassen. »Es ist so merkwürdig. Mein ganzes Leben scheint kopfzustehen. Manchmal weiß ich nicht, was Wirklichkeit ist und was nicht. Aber seine Feindseligkeit mir gegenüber erschien mir wahrhaftiger als alles andere, was ich bisher gehört habe.«
»Er war nicht erfreut, dich zu sehen.«
»Er hasst mich.«
»Heute hatte es den Anschein«, räumte Nick ein.
Marla blickte aus dem Fenster zu den grünen Hügeln hinauf. »Was soll dann dieses Gerede über die innige Bindung zwischen meinem Vater und mir? Dass er mich mit Geschenken überschüttete, dass ich das Licht seines Lebens sei? Das ist doch alles beschönigt und völlig übertrieben. Oder sogar schlicht gelogen. Seit ich aus dem Koma erwacht bin, habe ich dieses Gefühl, eine Art Intuition, dass er und ich uns nicht verstehen. Dass wir einander nicht leiden können.« Sie warf Nick einen kurzen Seitenblick zu. »Das ist noch gelinde ausgedrückt, wie?« Beinahe hätte sie über die absurde Situation gelacht. Doch es tat zu weh. Die traurige Wahrheit war nun einmal, dass sie mit so vielen Menschen verwandt war und sich doch – abgesehen von James und Nick – mit niemandem verbunden fühlte. Nicht einmal mit ihrer eigenen Tochter und auch nicht mit ihrem Mann. »So viel zu väterlicher Zuneigung«, murmelte sie bitter vor sich hin, dann fragte sie: »Wieso glaubt er wohl, ich sei neulich schon einmal mit Alex bei ihm gewesen?«
»Die Schwester sagte, durch die Medikamente verliert er zeitweise den Bezug zur Realität.« Nick schaltete vor einer weiten Kurve in der Küstenstraße herunter.
»Glaubst du das?« Marla sah ihn eindringlich an.
»Ich weiß nicht. Irgendwas stimmt da nicht.«
»Amen.«
»Wir sollten Alex fragen.«
»Das ergäbe ein interessantes Tischgespräch«, bemerkte Marla, dann verfiel sie in Schweigen. Ihr Vater hielt sie für eine Schwindlerin, einen Eindringling, eine Hochstaplerin. Er hatte sich aufgeführt, als sei sie jemand anders, eine Person, von der eine Frau, die er als Hure bezeichnete, behauptet hatte, sie sei seine Tochter. Hatte er das geträumt? Oder war es Teil seiner Vergangenheit?
»Wusstest du, dass der größte Teil von Conrads Vermögen nach seinem Tod an James geht?«, fragte Nick.
»An den Kleinen? Mein Sohn erbt das Vermögen meines Vaters?« Das war doch verrückt.
»Ja.«
»Moment mal.« Marla hob eine Hand. »Woher weißt du das?«
»Ich habe meine Hausaufgaben gemacht.«
»Du hast spioniert, wolltest du sagen.«
Nick schaltete das Radio ein. Aus den Lautsprechern ertönte Handywerbung. Er suchte einen anderen Sender, fand einen mit Softrock. Gerade lief ein alter Song von Billy Joel. »Nenn es, wie du willst – ich versuche lediglich herauszufinden, was hier vorgeht.«
»Ich auch«, erwiderte Marla, wenngleich es sie ein wenig beunruhigte, dass Nick womöglich mehr über ihr Leben wusste als sie selbst. »Und du bist sicher, was seinen Letzten Willen betrifft?«
»Was ist schon sicher? Aber ich habe einen Privatdetektiv engagiert.«
»Und?«
»Er hat Beziehungen, das behauptet er jedenfalls. Das Testament läuft darauf hinaus, dass
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