Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
vernachlässigt habe, das wollte ich nicht, ich wollte …« Sie schluckte den Kloß hinunter, der ihr in der Kehle steckte, und kämpfte mit den Tränen. »Du musst mir vertrauen. Ich liebe dich.«
Cissy starrte sie nur an. Ihre Lippen zitterten. »Ich … ich glaube, wir sollten jetzt zum Abendessen gehen.«
»Bitte, Schätzchen, gib mir eine Chance«, flüsterte Marla. »Lass es mich dir beweisen, lass es mich wiedergutmachen.«
»Das brauchst du nicht.«
»Ich weiß. Aber ich möchte. Ist das nicht viel besser?«, fragte sie, und das Misstrauen in den Augen ihrer Tochter ließ ein wenig nach.
»Ich weiß nicht …«
»Gib mir etwas Zeit.«
»Weißt du«, begann Cissy und setzte sich, auf Abstand zu Marla bedacht, ans Fußende des Bettes. »Du bist so komisch, seit du aus dem Koma erwacht bist. Anders. Gar nicht mehr wie meine Mom.«
»Ich habe gehört, wie du sagtest, du würdest nicht glauben, dass ich deine Mutter bin.«
»Nein! Ich meine … Scheiße, Mom, hm, ich meine, du bist einfach viel zu nett.«
Marla zog sich das Herz zusammen. »Ist das so schlimm?«
»Ich kann es nur nicht glauben.« Cissy hob den Kopf. »Vielleicht hattest du so ein Nahtoderlebnis«, sagte sie und riss die Augen auf. »Du weißt schon, aus so einer Sache geht man oft als besserer Mensch hervor.«
»Wollen wir’s hoffen«, erwiderte Marla mit einem Lächeln. Sie breitete die Arme aus, und Cissy rollte mit den Augen.
»Das soll ein Witz sein, oder?«
»Nein. Komm schon!«
»O Gott!« Mit einem übertriebenen Seufzer stand Cissy auf und ließ sich umarmen. Marla hielt sie fest, als wollte sie sie nie wieder loslassen. »Ich mache alles wieder gut, Schätzchen, versprochen.«
»Mom, mach keine Versprechungen, die du nicht halten kannst«, bat Cissy, schlang jedoch die Arme um den Nacken ihrer Mutter, und Marla spürte ihr leichtes Zittern, als ob sie sich gegen einen Zusammenbruch wehrte, als ob sie der Frau, die sie auf die Welt gebracht hatte, nicht so recht traute.
»Du wirst schon sehen.« Marla gab Cissy einen Kuss auf die Stirn. »Und wir werden zusammen ausreiten, so oder so.«
Cissy kicherte, ohne es zu wollen. »O Gott, Mom, nimm unbedingt deine Kamera mit!«
Die Stimmung beim Abendessen war bestenfalls angespannt. Nick beobachtete Alex aus den Augenwinkeln. Sein gewöhnlich aalglatter und charmanter großer Bruder wirkte besorgt, die Stressfalten um seinen Mund herum waren tiefer eingegraben und seine Stirn sorgenvoll gefurcht. Etwas belastete ihn. Etwas Großes. Die Finanzlage? Der Gedächtnisverlust seiner Frau? Oder etwas anderes?
Während der ersten Woche seines Aufenthalts in San Francisco hatte Nick Alex’ Stresssymptome dem Niedergang des Unternehmens zugeschrieben.
Nick hatte die Bücher der Firma durchgesehen, und es lag auf der Hand, dass Cahill Limited einige Vermögenswerte würde veräußern müssen, andernfalls würden die Gläubiger die Kreditlinien und Außenstände einfordern. Die Banken waren so lange wie möglich hingehalten worden, und Alex’ internationale Investoren hatten bislang keinen Cent geboten. Soweit Nick die Lage überschauen konnte, übertrafen die Vermögenswerte des Unternehmens im Moment noch die Außenstände, aber das Größenverhältnis war nicht allzu überzeugend, und wenn nicht eine ganze Menge mehr Eingänge verzeichnet wurden, würde Alex Personal entlassen und einige Immobilien verkaufen müssen, von denen viele bis unter die Dachbalken mit Hypotheken belastet waren.
Trotz alledem gingen monatlich immer noch riesige Spenden an wohltätige Einrichtungen. Cahill House und das Bayview Hospital profitierten am meisten, und auch wenn niemand in seiner Familie es wahrhaben wollte, sprachen doch alle Tatsachen dafür, dass Cahill Limited über kurz oder lang in den Bankrott ging.
Doch Geld war nur eines von Alex’ Problemen, wie Nick jetzt vermutete.
»Du warst also bei der Polizei, hast Detective Paterno deine Aussage zu Protokoll gegeben«, sagte Alex, nachdem der Smalltalk abgehandelt war. Cissy hatte sich entschuldigt, um Hausaufgaben zu erledigen, was, wie Nick ahnte, endlose Telefonate oder Besuche in Internet-Chatrooms bedeutete. Auf ihren Plateausohlen war sie die Treppe hinaufgepoltert und hatte Alex, Nick, Eugenia und Marla am Tisch zurückgelassen.
Marla schob ihren nur zur Hälfte geleerten Teller von sich. Nick vermutete, dass sie noch nicht wieder an feste Nahrung gewöhnt war und das Kauen sie noch anstrengte.
»Gibt es etwas Neues?«,
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