Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
mir«, erwiderte sie, und eine Träne lief an ihrer Nase entlang. Fieberhaft bearbeitete sie ihren Daumennagel.
»Hat der Reverend Sie zu der Abtreibung überredet?«
Julie schluckte krampfhaft, dann schüttelte sie den Kopf. »Das … das war meine Idee. Er wollte, dass ich das Kind austrage und zur Adoption freigebe, aber das konnte ich einfach nicht. Ich hätte es nicht ertragen zu wissen, dass andere Leute mein Kind großziehen … Ich hätte es behalten sollen, aber … ich … ich wusste nicht …« Tränen strömten über ihr Gesicht, und Nick musste sich eisern beherrschen, um sie nicht in den Arm zu nehmen.
»Hey – du brauchst diese Fragen nicht zu beantworten, Jule«, wiederholte ihr Mann. Er erhob sich von seinem Stuhl, trat neben sie und legte ihr seine große Hand auf die Schulter. »Sie können jetzt gehen, okay? Sie regen sie nur auf.«
»Nein … schon gut. Sie haben ja recht. Ich muss mit der Polizei sprechen«, flüsterte Julie.
»Ausgeschlossen, Jule, vergiss nicht, wir haben ein Abkommen. Das wollen wir nicht vermasseln.«
»Aber ich will nicht ins Gefängnis.«
»Musst du auch nicht, Babe. Die bluffen doch nur«, sagte Robert gereizt, und Nick fragte sich, ob er auf Droge war. Völlig überdreht. Ein Junkie?
»Sagen Sie’s uns«, verlangte Walt. »Was für ein Abkommen haben Sie? Mit wem?«
»Sie sagt gar nichts.«
»Sie kann für sich selbst sprechen.« Nick sah das Mädchen fest an. »Sie können solche Probleme nicht brauchen. Und denken Sie an Ihre Mutter.«
Julie schluckte und zupfte Fusseln von der Armlehne ihres Sessels. »Ich weiß nicht.«
»Jule, bitte, das ist eine wirklich heiße Sache, mach jetzt nicht alles kaputt.« Robert rieb mit einer Hand ihre Schulter, und wenn Blicke töten könnten, hätten Nick und Walt längst das Zeitliche gesegnet.
Julie schniefte laut, sie kämpfte vergeblich mit den Tränen. Wimperntusche lief ihr über die Wangen. Wütend wischte sie die Tränen ab. »Ich … ich muss Ihnen etwas sagen«, begann sie. »Es lässt mir keine Ruhe.«
»Ach du Scheiße, nein.« Robert schüttelte den Kopf und drückte ihre Schulter. »Überleg doch mal, was es für uns bedeutet, Baby. Das ist unser Freifahrtschein …«
»Dein Freifahrtschein? Was zum Teufel hast du getan?«, wollte Julie wissen.
»Hey, nun mal langsam.« Ihr Mann wich einen Schritt zurück und wies mit dem Daumen auf Nick. »Diese Scheißkerle bringen dich durcheinander, Baby.«
»Vorsicht, Mann, sonst bringen wir was ganz anderes durcheinander«, warnte Nick ihn und wandte sich wieder dem Mädchen zu. »Was ist es, Julie?«
»Meine Mom … Ich habe etwa eine Woche vor ihrem Tod mit ihr gesprochen«, sagte sie, woraufhin Robert eine dramatische Show abzog, um sie zum Schweigen zu bringen, die Augen verdrehte, halblaut vor sich hin murmelte und schließlich in die Küche stürmte, wo er geräuschvoll gegen die Schränke trat. Seine Frau zuckte zusammen, und die Katze huschte verschreckt ins Schlafzimmer. »Hör auf, Robert!«, schrie Julie. »Hör endlich auf.«
»O ja, ich höre auf, ganz klar.« Robert kam aus der Küche zurück, den Schlüsselbund in der Hand. »Ich bin raus hier. Wenn du uns das Geschäft versauen willst, bitte, aber ohne mich.« In selbstgerechtem Zorn stapfte er zur Tür hinaus. Auf dem Weg rempelte er Nick an, und der musste sich schwer beherrschen, damit er Robert nicht beim Kragen packte und windelweich prügelte. Stattdessen ließ Nick ihn laufen. Die Tür fiel knallend ins Schloss, und im nächsten Moment wurde mit viel Getöse ein Motorrad gestartet. Mit quietschenden Reifen donnerte es vom Parkplatz.
»Den bin ich los«, murmelte Julie und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich weiß wirklich nicht, warum ich ihn geheiratet habe.« Als fiele ihr erst jetzt wieder ein, dass sie in ihrem Unglück ein Publikum hatte, lehnte sie sich in den Sessel und wiegte sich vor und zurück. Ihre Unterlippe zitterte. »Undankbarer Scheißkerl«, stieß sie hervor.
»Was ist mit Ihrer Mutter?«, fragte Nick, um Julie wieder aufs Thema zurückzubringen. »Wissen Sie, wohin sie in jener Nacht wollte?«
»Ich glaube schon. Sie brauchte für eine Weile eine Unterkunft, einen Platz, wo niemand sie finden würde. Ich nannte ihr eine Wohnung bei der Uni, die Freunde von mir gemietet hatten. Sie waren übers Wochenende nicht in der Stadt, also habe ich alles für Mom organisiert.«
»Warum musste sie untertauchen?«
»Es hatte irgendwie mit dem Buch zu tun, an
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