Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
dem sie arbeitete. Ein Buch über Adoption und Elternrechte oder so. Das war eine Zeitlang ihr großes Thema. Sie rief an und meinte, sie bräuchte ganz schnell eine Wohnung – erst müsse sie noch etwas erledigen, aber dann bräuchte sie einen Schlafplatz. Es war alles ziemlich hektisch. Sie sagte, eine Freundin von ihr bräuchte Hilfe, weil sie ihren Mann verlassen wollte, aber der würde ihr das Sorgerecht für ihr Baby nicht überlassen. Ich … ich wusste nicht, dass es sich um MrsCahill handelte. Sonst hätte ich doch nicht … ach, verdammt, ist ja auch egal. Mom sagte, sie müsste recherchieren und wolle mit der Frau zusammenarbeiten und ihr helfen, damit sie ihr Kind behalten konnte. Statt eines Anwaltshonorars dürfte sie dafür die Geschichte der Frau in ihrem Buch verarbeiten.«
Marla. Marla hatte geplant, Alex die Kinder wegzunehmen.
»Sie wollte auch meine Geschichte einbauen, aber ich war damit nicht einverstanden. Auch wenn es zum großen Teil Fiktion war, hatte ich Angst, dass die Leute mich erkennen könnten. Ich wollte nicht, dass meine Freunde von dem Kind erfahren …« Julie zuckte die Achseln. »Das kann ja jetzt nicht mehr passieren.« Die Tränen flossen noch reichlicher. »Wieso … wieso glauben Sie, jemand hätte sie umgebracht? Die Frau am Steuer, hat sie den Unfall absichtlich herbeigeführt? Dad will sie verklagen. Sie … sie ist Alexanders Frau, nicht wahr?«
»Wir glauben, dass irgendjemand den Unfall herbeigeführt hat, indem er die Fahrerin zum Ausweichen zwang«, erklärte Walt. Nick fiel auf, wie vertraut das Mädchen von Alex sprach. Was zum Teufel war hier los?
»Wer hat sie zum Ausweichen gezwungen?«
»Wir wissen es nicht«, gestand Nick, wenngleich seine Liste von Verdächtigen schrumpfte und sein Bruder inzwischen an erster Stelle stand. Die Vorstellung ließ ihm das Blut in den Adern stocken. Womöglich war Marla gerade in diesem Augenblick bei Alex.
»Und was war das für ein Geschäft, von dem Robert eben gesprochen hat?«, drang Walt weiter in sie.
»Ach, Gott …« Sie zögerte und biss auf ihren Daumennagel. »Jetzt erscheint es mir sonderbar, nachdem ich weiß, dass alle miteinander verwandt sind. Ich … ich habe mich irgendwie mit einem älteren Mann eingelassen, als ich in Cahill House war. Er, hm, er mochte mich. Robert und ich hatten uns wegen des Kindes verkracht, und dieser Mann … er war nett. Hat mich gut behandelt. Als Mom davon erfuhr, hat sie beinahe einen Anfall gekriegt. Sie bestand darauf, einen Anwalt einzuschalten, und schimpfte und drohte, den Mann zu verklagen. Sie wusste nur, dass er älter und verheiratet war, und sie wollte ihn an seinen Eiern aufhängen.«
»Und wann hat sie herausgefunden, dass es der Prediger war?«, fragte Walt.
Julie schien etwas sagen zu wollen, doch dann schloss sie den Mund wieder und biss die Zähne zusammen.
Walt hakte nach: »Sie erinnern sich nicht?«
Sie blinzelte hektisch.
»Julie?«, bohrte Nick.
»Er war nicht der Typ, der mich angemacht hat«, flüsterte sie und senkte den Blick.
»Moment mal.« Walt massierte sich den Nacken. »Ich dachte, er und Sie …«
Sie schüttelte den Kopf. »Das dachten alle. Es sollten ja auch alle denken. Das war das Geschäft, von dem Robert gesprochen hat.« Sie sah Nick ernst an, und ihr kleines, von Wimperntusche verschmiertes Gesicht verzerrte sich. »Es war nicht so, wie alle dachten. Er war nur nett zu mir, und, nun ja, Alex …«, flüsterte sie mit zitternden Lippen.
»Mein Bruder?«
»Ja! Er hat ein Abkommen mit mir und Reverend Favier getroffen. Es sollte so aussehen, als sei es der Priester gewesen, damit meine Mutter nicht darauf bestand, Alex anzuzeigen.«
»Warum sollte Donald Favier seinen Namen besudeln lassen?«, fragte Nick. »Das hätte ihn seine Stellung kosten können. Mich wundert, dass seine Gemeinde ihn nicht rausgeworfen und am Kirchturm aufgehängt hat.«
»Es ist seine Kirche. So eine gibt es nicht noch einmal«, erklärte Julie. »Das ist keine Restaurantkette wie McDonald’s, nicht irgendeine Filiale. Es gibt keinen Erzbischof oder Papst oder sonst einen Popanz.«
»Trotzdem hat es seinen Ruf schwer angekratzt«, sagte Nick. »Warum nahm er die Schuld auf sich?«
Julies Lippen verzogen sich zu einem zynischen Lächeln, das sie sehr viel älter erscheinen ließ. »Tja, was meinen Sie wohl?«, entgegnete sie und wischte sich mit dem Handrücken die Nase. »Aus dem gleichen Grund wie ich. Für Geld.«
Das Haus lag im
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