Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
Poren. Sie lehnte sich an den Schreibtisch, in ihrem Kopf jagten sich tausend Fragen. Was zum Teufel ging hier vor? Sie erinnerte sich an die Geburt ihres Sohnes. Doch dann war da das leere Fläschchen Premarin – weibliche Hormone –, das sie im Medizinschrank gefunden hatte. Sie wusste, dass man Frauen in den Wechseljahren oder nach einer Hysterektomie dieses Medikament verschrieb.
Aber das Kind … das Kind … O Gott, hatte ihr verwirrter Geist die Geburt nur erträumt? Und warum erinnerte sie sich nicht an Cissys Geburt?
Weil du nicht Marla Cahill bist, verdammt! Du hast es doch von Anfang an geahnt!
Sie verlor den Verstand … Das alles konnte doch nicht wahr sein! Reiß dich zusammen, Marla. Sofort! Du darfst jetzt nicht zusammenbrechen. Suche. Durchsuche Alex’ Sachen. Finde heraus, warum er Geheimnisse vor dir hat!
Mit unsicheren Fingern faltete sie das belastende Dokument zusammen und steckte es zu den Schlüsseln und der Karteikarte mit Kylie Paris’ Telefonnummer und Adresse in ihre Tasche. War Marla James’ Mutter? Oder hatte sie sich tatsächlich die Gebärmutter entfernen lassen? Sie war noch nicht lange genug aus dem Krankenhaus entlassen, um schon einen vollständigen Menstruationszyklus zu haben, es waren erst drei Wochen, aber sie hatte auch keine sichtbaren Operationsnarben. Heutzutage wird nicht mehr aufgeschnitten. Sie hatte keine Hitzewallungen und nahm kein Östrogen ein, es sei denn, jemand mischte ihr etwas ins Essen … Aber du weißt es nicht, oder? Du weißt nicht, ob du Alex’ Frau und die Mutter der Kinder bist. Du weißt nicht, ob du deine Gebärmutter und die Eierstöcke noch hast, du kennst nicht einmal deinen verdammten Namen.
Panik schnürte ihr die Kehle zu. Ihr kam in den Sinn, dass jemand – wer, das wusste sie nicht genau – womöglich versuchte, sie in den Wahnsinn zu treiben. Sie als paranoid darzustellen. Warum? Um ihr die Kinder zu nehmen?
Sie atmete tief durch, um ihre entgleisten Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Irgendwie würde sie herausfinden, was hier vorging. Wenn ihr genug Zeit blieb, würde sie sämtliche schmutzigen kleinen Geheimnisse des Cahill-Clans lüften.
Und deine eigenen, Marla. Welche Geheimnisse hütest du?
»So darfst du nicht denken«, schimpfte sie. Ihr lief die Zeit davon, und eine Schreibtischschublade musste noch durchsucht werden. »Herr, gib mir Kraft«, betete sie.
Sie öffnete die Schublade und sah die Waffe.
Eine kleine, mit Silber eingelegte Pistole.
Ihr Herz drohte stehenzubleiben. Als sie mit den Fingern über das glatte Metall strich, gefror ihr das Blut in den Adern. Warum besaß Alex eine Waffe? Um sich selbst und seine Familie zu schützen – eine Familie, die er kaum jemals sah? Oder um jemandem etwas anzutun? Mit zitternden Händen hob sie die Waffe auf, prüfte die Kammer und sah, dass sie geladen war. Sie fühlte sich entsetzlich an in ihrer Hand. Schwer. Marla sicherte die Pistole und erwog, sie zurück in die Schublade zu legen, damit Alex nicht entdeckte, dass sie spioniert hatte, aber … vielleicht würde sie die Waffe einmal brauchen, und vielleicht konnte sie verhindern, dass Alex sie benutzte, indem Marla sie an sich nahm.
O Gott, sie konnte ihm nicht vertrauen, sie wusste tief im Herzen, dass sie es nicht durfte. Wer war dieser Mann, der Geheimnisse hatte, seine Türen abschloss und Pistolen in seinem Schreibtisch versteckte – der Mann, den sie geheiratet hatte? Sie warf einen Blick auf ihren Ehering, während ihre Finger sich um das Griffstück der Waffe schlossen. Wer war sie, die sich an ein Baby erinnerte, sich aber einer Hysterektomie unterzogen hatte?
Du bist nicht Marla Cahill, insistierte ihr Verstand. Du wusstest es gleich, als du aus dem Koma erwachtest und den Namen hörtest. Conrad Amhurst weiß es auch. Cissy weiß es. Der kleine James hat gequengelt, als du ihn zum ersten Mal in den Arm genommen hast, und Coco, dieser hektische Hund, führt sich auf, als wärst du eine Hexe. Dein ganzes Leben ist eine Lüge, Marla oder Kylie, wer immer du sein magst. Eine tödliche Lüge.
Ihr Herz hämmerte wild, durch ihren Kopf hallten unzählige Fragen, als sie ein Stockwerk tiefer Coco leise bellen hörte. Marla war sofort mucksmäuschenstill und lauschte. Sie musste von hier verschwinden. Auf der Stelle. Aber was sollte sie mit der Waffe tun? Wenn sie die Pistole aus der Schublade nahm, würde Alex ihr Fehlen bemerken. Wenn sie sie dort ließ, konnte er sie benutzen … gegen
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