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Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen

Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen

Titel: Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Art Jesse James des einundzwanzigsten Jahrhunderts, braungebrannt, in Lederjacke und Jeans.
    Aber das war doch verrückt. Sie war eine verheiratete Frau. Sie brauchte nur ihre linke Hand anzusehen, um den Beweis zu haben. Dort funkelte im dämmrigen Licht an ihrem Ringfinger ein mit Diamanten eingelegter breiter goldener Ring – ihr Ehering. Wenn sie das glitzernde Schmuckstück betrachtete, erinnerte sie sich an keine einzige Episode des Tages, an dem er ihr an den Finger gesteckt worden war, und ebenso wenig an den Mann, der »Ja, ich will« gesagt hatte.
    Denk nach, Marla, denk nach!
    Nichts.
    Nicht die geringste Erinnerung.
    Sie hätte schreien mögen vor Verzweiflung.
    Wenn sie den Ring betrachtete, empfand sie ähnlich wie beim Blick in Nick Cahills Augen. Keine blitzartige Rückblende in Zeit und Raum, nicht der Hauch einer Erinnerung, keine Reaktion außer Neugier. Neugier auf den Mann. Auf ihre Ehe. Ihre Kinder. Sie selbst.
    »Sie sind also tatsächlich aufgewacht.« Ein hochgewachsener Mann mit Nickelbrille und weißem Arztkittel trat ins Zimmer. Er trug einen bleistiftdünnen Oberlippenbart, der sein schmales Gesicht betonte, war völlig kahl und schien zu viele Zähne in einem zu kleinen Mund zu haben. »Erinnern Sie sich an mich?«, fragte er, und als er die Bestürzung in ihren Augen las, fuhr er fort: »Machen Sie sich keine Sorgen. Auf ein Koma folgt manchmal ein Gedächtnisverlust … Wahrscheinlich kehren die Erinnerungen mit der Zeit zurück.« Sein Lächeln sollte ihr Mut machen. »Nun, ich bin Dr.Robertson.« Er beugte sich über sie und leuchtete ihr mit einer Stiftlampe in ihre Augen. »Wie fühlen Sie sich?«
    »Schrecklich«, erwiderte sie. Es bestand schließlich kein Grund, irgendetwas schönzureden.
    »Das kann ich mir vorstellen. Schmerzen im Kiefer?«
    »Und wie.«
    »Kopfschmerzen?« Er inspizierte ihren Scheitel.
    »Wie wahnsinnig.«
    »Wir geben Ihnen etwas dagegen. Erzählen Sie mir jetzt, wie es um Ihr Erinnerungsvermögen bestellt ist.«
    »Welches Erinnerungsvermögen?«, fragte sie und bemühte sich, nicht zurückzuzucken, als er die Lampe vom rechten zum linken Auge wandern ließ.
    »So schlimm?«
    Sie überlegte, und allein schon der Versuch, sich zu konzentrieren, verstärkte den Druck in ihrem Kopf. »Ziemlich schlimm. ›Völlig benebelt‹ ist noch harmlos ausgedrückt.« Sie presste die Worte durch die Zähne hervor, die sich wie einzementiert anfühlten.
    Er lehnte sich zurück, knipste seine Lampe aus und verschränkte die Arme vor der schmalen Brust. »Erzählen Sie mir von sich.«
    Oha . Sie dachte nach. Zermarterte ihr Gedächtnis. »Es … es ist komisch. Einige Dinge weiß ich, zum Beispiel, dass ich lesen kann, eine gute Auffassungsgabe habe, und ich glaube, ich bin ziemlich gut in Mathe, aber ich kann mich nicht an den Unterricht erinnern. Ich glaube, ich mag Pferde und Hunde und den Strand und Gruselfilme, aber …« Sie schluckte den Kloß hinunter, der in ihrem Hals steckte, und zwang ihre Lippen, sich über den fixierten Zähnen zu bewegen. »Ich erinnere mich nicht an meine Familie, nicht an meine Kinder, nicht an meine Eltern, nicht einmal an meinen Mann.« Ihre Stimme versagte, und Tränen traten ihr in die Augen. Sie fühlte sich erbärmlich, ein elendes, bedürftiges Wesen ohne Vergangenheit. Sie wollte die Zähne zusammenbeißen, aber ihre Kiefer waren ja ohnehin verdrahtet.
    »Denken Sie immer daran, das ist nicht ungewöhnlich«, sagte der Arzt mit einem tröstenden Blick, während er erneut Puls und Blutdruck maß und ihre Reflexe überprüfte. »So, fassen Sie jetzt meine Finger und drücken Sie sie, so kräftig Sie können«, forderte er sie auf und hob beide Zeigefinger. Marla packte sie, als hinge ihr Leben davon ab. »Gut, und jetzt loslassen.« Er notierte etwas auf ihrer Patientenkarte. »Früher oder später werden Sie Ihr Gedächtnis wiederfinden. Ihr Gehirn hat durch die Gehirnerschütterung einen Schock erlitten, und Sie haben eine Zeitlang im Koma gelegen.« Er lächelte sie flüchtig an. »Aber es wird Ihnen alles wieder einfallen.«
    »Wann?«, wollte sie wissen.
    »Das kann ich leider nicht vorhersagen.« Er runzelte die Stirn und schüttelte den kahlen Kopf.
    Hoffentlich bald, dachte sie, sonst verliere ich noch den Verstand – beziehungsweise das, was davon übrig ist.
    »Ich wollte, ich könnte es«, versicherte Dr.Robertson.
    »Ich auch.«
    »Sie müssen Geduld haben. Sich selbst Zeit geben, um sich erholen zu

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