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Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen

Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen

Titel: Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen Kostenlos Bücher Online Lesen
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niemals eine Mimose gewesen zu sein. »Gehen wir zu unserem Sohn.«
    »Fühlst du dich wirklich stark genug …?«
    »Zeig mir einfach den Weg, Alex«, verlangte sie.
    Ihr Mann sprach kein Wort mehr, während der Lift langsam nach oben fuhr, und Marla tat es leid, ihn so heftig angefahren zu haben. Schließlich passte er nur auf sie auf. Und es war nicht seine Schuld, dass ihr Gedächtnis so große Lücken aufwies.
    Im zweiten Stock traten sie in einen mit Teppich ausgelegten Flur, von dem aus eine Treppe nach oben führte. Alex geleitete sie zu einer Doppeltür. »Unsere Suite«, erklärte er, und sie betraten ein Wohnzimmer mit einem Kamin in der Ecke, einem kleinen Sofa und einem Tisch mit zwei Sesseln. »Mein Schlafzimmer ist da drüben«, sagte er und wies auf eine Tür zur Rechten, »und hier ist deins.« Er öffnete schmale Doppeltüren und ließ sie in ein helles Zimmer in Blau-, Pfirsich- und Beigetönen eintreten. Ein Bett aus Rosenholz mit spitzenverziertem Himmel beherrschte den Raum, abgestimmt auf die übrige Einrichtung. In einem Bücherschrank standen Lederbände, auf den Tischen standen zwei Blumenvasen, an einer Wand hingen Bilder in Goldrahmen. Das Zimmer wirkte wie ein Vorzeigestück, als müsse es zur nachmittäglichen Führung mit Seilen abgesperrt werden.
    »Du und ich, wir schlafen nicht zusammen?«
    »Nicht mehr oft.« Alex zerrte an seinem Krawattenknoten und öffnete den obersten Hemdknopf. »Manchmal schon, natürlich, aber im Allgemeinen nicht.«
    »Findest du das nicht sonderbar?« Schon wieder kündigten sich Kopfschmerzen an.
    Er schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Wir sind schon lange verheiratet. Es hat sich im Lauf der Jahre eben so ergeben.« Er zuckte die Achseln. »Es ist nicht so schlimm. Jeder lebt sein eigenes Leben.«
    »Aber wir haben doch immerhin ein Kind gezeugt.« Marla erschien die Regelung nicht richtig.
    »Allerdings.« Er lächelte, und Marla glaubte, hinter der Maske des reichen, kultivierten Mannes etwas wie jungenhaften Charme aufflackern zu sehen. »Das haben wir. Komm. Du hast recht, es ist Zeit, dass du den kleinen Schreihals kennenlernst.« Er führte sie durch eine Glastür am anderen Ende des Raumes in ein winziges Zimmer. Es war hellblau gestrichen und mit einer Bordüre abgesetzt, die pastellfarbene Tiere und die Arche Noah zeigte.
    Dieses Zimmer fühlte sich bewohnt und warm an. Genau richtig für einen Säugling. Kissen und Kuscheltiere lagen in den Ecken, ein Regal war mit Spielzeug angefüllt, und an der Wand glomm ein Nachtlicht in Form der Arche.
    Aus der Wiege drangen die leisen Schnarchgeräusche des Babys. Marla trat näher und schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter. Ein Säugling lag schlafend auf dem Rücken, die Beinchen angezogen, die winzigen Hände zu Fäusten geballt. Flaumig weiches rötliches Haar bedeckte den Kopf, und der Kleine bewegte die Lippen, als wollte er saugen.
    Ihr Herz krampfte sich zusammen, aber nicht aus Mutterliebe, sondern vor Verzweiflung. Wie konnte es sein, dass dieses kleine Engelchen sich ihrem Herzen, ihrem Gedächtnis nicht eingeprägt hatte? Sie blinzelte gegen die Tränen an. Behutsam streckte sie die Hände aus und hob das Kind mitsamt der Decke aus der Wiege.
    Das ist dein Sohn, Marla. Dein Sohn! Der Gedanke war genauso herzerwärmend wie erschreckend. Was wusste sie schon von Säuglingen? Offenbar hatte sie bereits ein Kind bis zur Pubertät großgezogen, doch im Augenblick vermisste sie jegliches Gefühl angeborener Mutterliebe.
    James gab einen zarten kleinen Laut von sich, als sie ihn an ihre Schulter legte. Es fühlte sich so richtig an, ihn im Arm zu halten, dicht an ihrem Herzen, und doch war da etwas – an der Peripherie ihres Erinnerungsvermögens –, das sie beunruhigte.
    Das Baby wachte auf, öffnete die Augen und schrak zurück. Einen Sekundenbruchteil lang sah es sie aus runden Augen an.
    »Hallo, du«, flüsterte Marla, und das Herz ging ihr über vor Stolz. Das Baby war so … kostbar.
    James blinzelte, fand dann offenbar ihr vernarbtes Gesicht angsteinflößend und begann aus Leibeskräften zu schreien. Sein Gesichtchen rötete sich vor Anstrengung.
    »Pssst, mein Kleiner«, flüsterte Marla und hielt sein Köpfchen mit einer Hand. »Alles ist gut.«
    James ließ sich nicht beruhigen. Sein Rücken versteifte sich, und sein Geschrei setzte nur kurz aus, wenn er Luft holen musste.
    »Das hatte ich befürchtet.« Alex machte ausnahmsweise einmal den Eindruck, als wüsste er sich

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