Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
lächelte. »Alle nennen ihn Reverend Donald.«
Marla stand plötzlich ein Bild von Donald Duck mit Heiligenschein und Engelsflügeln vor Augen, wie sie es bestimmt vor langer Zeit einmal gesehen hatte. Dem Reverend Donald würde dieser Vergleich bestimmt nicht gefallen. »Kommt doch her.« Das Baby fing erneut an zu weinen, und Marla blickte die Treppe hinauf. Wo steckte Fiona?
»Wie wär’s mit morgen? Nachmittags?«, schlug Cherise vor.
»Da habe ich zufällig frei«, scherzte Marla und wehrte das Gefühl ab, dass sie jemanden hätte fragen müssen, bevor sie Besuch einlud. Es war schließlich auch ihr Haus, verdammt, und dem Weinen nach zu urteilen, das aus dem Obergeschoss herunterdrang, musste sie jetzt aufhören zu telefonieren und sich um ihr Kind kümmern. »Morgen früh werden die Drähte aus meinem Kiefer entfernt. Dann kann ich endlich wieder deutlich reden.«
»Wunderbar. Dann spreche ich mich mit dem Reverend ab, und wir kommen zwischen drei und vier. Vielleicht kann ich Monty überreden, auch mitzukommen.«
»Je mehr Gäste, desto lustiger die Party«, sagte Marla, beendete das Gespräch und blickte in Eugenias finstere Miene.
»Du hast für morgen jemanden eingeladen?«
»Nur Verwandte«, erwiderte Marla, verärgert über den überlegenen, tadelnden Tonfall ihrer Schwiegermutter, und stieg die Treppe hinauf. »Cherise und ihren Mann. Den Reverend Donald.«
»Lieber Gott.«
»Das sagt sie auch ständig«, rief Marla vom Treppenabsatz im ersten Stock hinunter. »Vielleicht kommt ihr Bruder auch mit.«
Das Baby hörte auf zu weinen.
»Montgomery. Na, wunderbar«, kommentierte die alte Dame mit verkniffenem Mund. »Das dürfte interessant werden.«
Amen , dachte Marla bissig und lief weiter die Treppe hinauf, um James zu holen. Jawohl, Amen!
»Marla hat sich verändert.« Nick saß im Jaguar seines Bruders auf dem Beifahrersitz, während Alex den Wagen die Market Street hinunter in Richtung der Bucht steuerte. Der Himmel war hellgrau, der Asphalt noch nass von einem Regenschauer.
»Natürlich hat sie sich verändert. Du hast sie ja auch seit Jahren nicht gesehen.«
»So meine ich das nicht«, entgegnete Nick und betrachtete mit zynischem Blick den Finanzdistrikt von San Francisco. Hochhäuser aus Beton und Stahl ragten in den Himmel auf, der Verkehr verstopfte die Straßen, und Fußgänger mit Taschen, Aktenkoffern, Rucksäcken und Schirmen hasteten geschäftig über die Gehsteige. Verkehrszeichen blinkten, Motoren dröhnten und Leute riefen. Tauben und Möwen flatterten auf den belebten Gehsteigen umher.
Nick hasste das alles zutiefst.
»Nun ja, dann hat Marla sich eben verändert«, räumte Alex ein und betätigte den Zigarrenanzünder, während er vor einer roten Ampel stand und ein Strom von Menschen in beiden Richtungen die Straße überquerte. »Sie hat gerade ihr zweites Kind zur Welt gebracht und einen traumatischen Unfall überlebt, bei der ihre Freundin und ein Fremder zu Tode gekommen sind. Dadurch hat sie auch noch ihr Gedächtnis verloren, musste sich kosmetischen Operationen unterziehen und beinahe zwei Monate lang den Mund mit Drähten verschließen lassen. Und zudem hast du sie seit Jahren nicht gesehen. Ja, da kann ich mir schon vorstellen, dass sie dir verändert vorkommt.« Er griff in die Jackentasche, zog ein Päckchen Zigaretten heraus und steckte sich eine Marlboro zwischen die Lippen. Im selben Moment klickte der Zigarrenanzünder, und er hielt die Zigarette daran. »Ich hoffe, dass sie sich wieder erholt … Ich meine nicht nur körperlich, sondern auch geistig, dass sie die Amnesie loswird.« Alex bremste vor einer weiteren Ampel. »Ich bezweifle, dass sie je wieder aussehen wird wie früher.«
»Sie kann sich noch einmal operieren lassen.«
»Ja, warum nicht?« Er trat aufs Gas, und der Jaguar schoss nach vorn. »Du hast wahrscheinlich auch schon bemerkt, dass unsere Ehe keineswegs unproblematisch ist.«
Nick biss die Zähne zusammen. »Cherise erwähnte, dass ihr euch ein paar Mal getrennt habt. Was ist da schiefgegangen?«
Alex warf ihm einen harten Blick zu. »Es ist nicht einfach, mit Marla zusammenzuleben.«
»Aber mit dir.«
»Ja, ganz recht.« Alex schnaubte. »Nun, das spielt wohl auch keine Rolle mehr. Jetzt ist alles gut. Ich habe es nur erwähnt, weil es sowieso irgendwann zur Sprache gekommen wäre, und ich wollte, dass du es von mir erfährst.«
Nick äußerte sich nicht dazu. Immerhin hatte er erst am Vortag selbst gesehen, wie Alex und
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