Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
ihrer Ehe. Vielleicht hatte er gelogen, und sie hatte in Wirklichkeit nach ihrer Hochzeit eine Affäre mit ihm gehabt. Vielleicht … o Gott, nein … vielleicht war ihr Baby sein Kind, das Ergebnis eines Ehebruchs, und … und … und sie hatte Alex den kleinen James untergeschoben.
»Schluss damit!«, ermahnte sie sich noch einmal und betrachtete entsetzt ihr Spiegelbild. Ihre Finger umklammerten den marmornen Rand des Waschtisches. Wassertropfen rannen über ihr Gesicht, und ihre Haut war bleich, aber die Wunden waren gut verheilt. Und die Frau im Spiegel war nicht unattraktiv. Nein … Sie ahnte, dass sie irgendwann sehr schön sein würde. Wie Helene prophezeit hatte. Dann sah sie vielleicht nicht genauso aus wie die Frau auf den Fotos, die überall in diesem Haus herumstanden, aber sie würde auf ihre eigene Art schön sein. Eine Isebel. Herr im Himmel, war es möglich? Mit zitternden Händen zog sie ein Handtuch aus dem Halterring und tupfte ihr Gesicht trocken. Sie konnte … Sie würde diese wilden Phantasien über Nick oder Gott weiß wen nicht zulassen. Nein, sie musste sich einfach zusammenreißen, musste sich auf ihre Erinnerungen konzentrieren.
Und was dann?
»Stell dich ihnen. Ganz gleich, was sie bringen.«
Sie fand einen Schlafanzug – weiße Seide, ausgerechnet –, zog ihn an und schlüpfte ins Bett, ohne auf das Rumoren in ihrem Magen und die quälenden Fragen in ihrem Kopf zu achten. Dann trank sie gewissenhaft das bereitgestellte Saftglas aus und unterließ es, den Fernseher einzuschalten oder in den Fotoalben zu blättern, die sie vor dem Bett gestapelt hatte. Sie wusste, dass sie auf der Stelle einschlafen würde, und sie wurde nicht enttäuscht. Kaum hatte ihr Kopf das Kissen berührt, fiel sie in einen so tiefen Schlaf, dass sie die Schritte nicht hörte, die sich knapp eine Stunde später ihrem Zimmer näherten, nicht bemerkte, dass jemand eintrat, sie beobachtete …
10.
S tirb, Luder!« Die Stimme war tief und rauh. Hasserfüllt.
Marla erstarrte in ihrem Bett. Riss die Augen auf. Es war dunkel im Raum, so dunkel. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Panik erfasste sie.
O Gott, war jemand im Zimmer?
Sie blinzelte in die Dunkelheit, suchte das Zimmer ab. Ihre Augen gewöhnten sich an das spärliche Licht, das unter der Türritze hindurch eindrang. Aber niemand stand drohend vor ihrem Bett. Dennoch … dennoch …
Sie war in kalten Schweiß gebadet. Marla schluckte ihre Angst hinunter und schaltete die Nachttischlampe ein. Plötzlich war das Zimmer von sanftem goldenem Licht erfüllt. Alles war wie immer, sogar die aufeinander abgestimmten Kissen auf ihrem Bett. Sie hatte geträumt, weiter nichts. Wahrscheinlich weil sie sich nicht gut fühlte. Die Suppe zum Abendessen, dazu die verkrampfte Unterhaltung – das hatte sie nervös gemacht und war ihr auf den Magen geschlagen.
Niemand war in ihrem Zimmer.
Sie atmete auf. Da hörte sie etwas – gedämpfte Schritte? Was war das? Ihr Herzschlag dröhnte ihr in den Ohren. Sie schlug die Bettdecke zurück und sprang aus dem Bett. Beruhige dich, ermahnte sie sich selbst, konnte sich aber eines weiteren Schweißausbruchs nicht erwehren, während sie systematisch das Zimmer durchsuchte – das Bad, den begehbaren Schrank, die Vorhänge – auf der Suche nach irgendeinem Hinweis auf eine düstere Präsenz, die sie bedroht hatte.
Regen prasselte gegen die Fensterscheiben, der Wind ließ das Glas klirren, aber sie war allein. »Reiß dich zusammen«, schimpfte sie, doch innerlich zitterte sie, und ihr Magen krampfte sich zusammen.
Hatte sie jemanden sprechen gehört oder war die fauchende Stimme Teil eines rasch verblassenden Alptraums gewesen? Sie fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und durchquerte die Suite, in der das Licht gedimmt war. Sie kam sich albern vor, als sie an die Tür zum Zimmer ihres Mannes klopfte. »Alex?«, rief sie durch die geschlossene Tür. Keine Antwort. Sie probierte den Türknauf. Nichts rührte sich. »Alex?«
Sie war wieder ausgesperrt.
Beruhige dich, hier ist niemand. Es war ein Traum. Nichts weiter als ein verdammter Traum! Alex ist noch nicht zu Hause. Das ist alles. Bleib ruhig.
Doch es gelang ihr nicht. Alles war zu real. Sie sah auf die Uhr – nicht einmal elf. Sehr lange hatte sie noch nicht geschlafen. Du hast dir das nur eingebildet. Deine Nerven sind überspannt, Marla. Du fürchtest dich vor deinem eigenen Schatten. Niemand war in deinem Zimmer. Es waren die Nachwehen eines
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