Dark Silence - Denn deine Schuld wird nie vergehen
Nick zu entkommen – aus der Nähe des Ausgestoßenen, des Mannes, der sie dazu brachte, ihre Ehe, ihre Gefühle, ihre Überzeugungen in Frage zu stellen. Sie fand, dass sie ihn meiden sollte wie die Pest, denn sie spürte tief im dunkelsten Winkel ihrer Seele, dass er eine unwiderstehliche Versuchung für sie darstellte. Um das zu wissen, bedurfte es nicht der unterschwelligen Emotionen, die in seinem Blick zum Ausdruck kamen. Sie wollte nicht darüber nachdenken, wie es sein würde, ihn zu küssen oder mit ihm zu schlafen oder … Sie räusperte sich. »Und dann gehe ich schlafen.«
»Möchtest du wirklich nicht noch einen Schluck Tee oder Kaffee?«
»Wirklich nicht«, sagte sie fest.
»Dann hilft Nick dir sicher gern die Treppe hinauf, nicht wahr, mein Lieber?«, fragte Eugenia, und Marla musste die Lippen zusammenpressen, um nicht zu widersprechen.
Nick warf seiner Mutter einen verstohlenen Blick zu. »Warum nicht?«
»Und anschließend kommst du wieder her und trinkst eine Tasse Kaffee mit mir«, lud Eugenia ihn ein. »In der Küche findet sich bestimmt auch noch etwas Auflauf oder Käsekuchen.«
»Kaffee genügt«, erklärte er und begleitete Marla zum Aufzug. Ihre Kopfschmerzen meldeten sich zurück, ihr war flau im Magen, und sie musste sich zusammenreißen, um sich im Lift nicht auf den Handlauf aufzustützen.
Als die Türen sich schlossen, drückte Nick auf die Taste zum zweiten Stock und lehnte sich an die Kabinenwand. Wieder waren sie allein. In einem engen, viel zu intimen Raum. Marla versuchte, sein männlich-gutes Aussehen und seine verdammt respektlose erotische Ausstrahlung zu ignorieren. Er war härter als Alex, vielleicht auch finsterer. Er trug seine Scheißegal-Einstellung wie einen Orden vor sich her. Und, verdammt noch mal, es faszinierte sie. Während ihr Mann elegant und hochgebildet war, ein erfolgreicher Geschäftsmann, der Kunden aus aller Welt bediente, schien Nick ein Einzelgänger zu sein, ein Mann, der ebenso gut in einer anonymen Masse oder ganz allein zurechtkam. »Warum bist du hier?«, fragte Marla, als sie im zweiten Stock angekommen waren. »Ich meine … nicht hier im Haus, sondern überhaupt in San Francisco.«
»Ich dachte, das wüsstest du. Alex ist der Meinung, das Unternehmen bräuchte Hilfe.« Er verzog den Mund. »Jedenfalls behauptet er das.«
»Aber du glaubst ihm nicht?«, fragte sie und trat in den Flur, der zum Treppenabsatz führte. Hinter der geschlossenen Tür zu Cissys Zimmer plärrte laute Musik, und als Marla klopfte und durch den Türspalt spähte, warf das Mädchen ihr einen finsteren Blick zu, das Telefon am Ohr.
»Was willst du?«, fragte Cissy.
»Mit dir reden.«
Cissy biss sich auf die Unterlippe und sah aus, als wollte sie sich am liebsten in einer dunklen Ecke verkriechen. Sie warf sich das Haar über die Schulter und setzte eine gelangweilte Miene auf. »Kann das nicht warten? Ich muss noch Hausaufgaben erledigen.«
Marla streifte Telefon und Stereoanlage mit einem kurzen Blick. Weit und breit war kein Buch zu sehen. Aber jetzt war nicht der Zeitpunkt, um zu schimpfen. Nicht, wenn viel wichtigere Probleme zwischen ihnen schwelten. Sie stellte sich der Herausforderung unter dem aufmüpfigen Blick ihrer Tochter. »Okay. Wann?«
»Weiß nicht.« Cissy zuckte die Achseln.
»Aber du sagst es mir.«
»Ja«, erwiderte sie knapp und hielt das Telefon wieder ans Ohr. »Mom, bitte …«
»Okay, okay, morgen«, sagte Marla und schloss seufzend die Tür. Nick stand so dicht neben ihr, dass sie sich beinahe berührten. »Ich fürchte, ich muss meine Mutterqualitäten aufpolieren.«
»Ist das möglich?«, fragte Nick.
»Ich weiß es nicht«, gab sie zu und wünschte, sie könnte irgendeine Verbundenheit mit ihrer Tochter empfinden. Als Nächstes sah sie nach James und fand das Baby schlafend vor. Sie trat wieder hinaus auf den Flur, wo Nick auf sie wartete.
Hoch oben prasselte der Regen auf das Dachfenster und gurgelte in der Dachrinne. »Ich habe dich gefragt, ob du Alex glaubst«, erinnerte sie ihn.
»Glaubst du ihm denn nicht?«
»Doch, natürlich«, versicherte sie hastig, unfähig, der lähmenden Wahrheit ins Auge zu sehen, dass sie ihrem eigenen Mann misstraute.
Nick rieb sich den Nacken. Sein Blick war düster, er war sichtlich aufgewühlt. »Ich weiß nicht recht, was ich glauben soll.«
»Du traust ihm nicht«, stellte sie fest, als sie vor der Flügeltür zu ihrer Suite angekommen waren. »Warum nicht?«
»Das ist eine
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