Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
nicht nur schön abgeschieden, sondern war auch noch eine der stärksten. Ich wollte für den Übergang so wenig Kraft wie möglich verbrauchen, zumal ich ja noch Will huckepack nehmen musste.
Wie sich herausstellte, war es schon mühsam genug, ihn überhaupt in Trance zu versetzen.
„Herrgott noch mal.“ Ich funkelte ihn in dem wenigen Licht an. „Wie viel Kaffee haben Sie heute in sich reingeschüttet?“ Er trank wahrscheinlich nicht mal welchen. Zu viele krebserregende Stoffe oder so was.
„Tut mir leid.“ Er versuchte, ruhig zu bleiben. „Ich mache mir eben solche Sorgen um sie.“
Er lag ein Stück von unserem kleinen Lagerfeuer entfernt auf einer Decke. Der Duft von verbranntem Wüstensalbei hing in der Luft. Tim hatte es sich beim Zelt mit seinem iPod gemütlich gemacht; er war intelligent genug, mich in Ruhe meinen Job machen zu lassen. So wie Will rumzappelte, stand zu befürchten, dass ihn unterhalb von Valium nichts beruhigen würde. Womit uns dann auch nicht geholfen gewesen wäre.
„Gibt es hier draußen Kojoten?“, wollte er wissen. „Von denen ist bekannt, dass sie manchmal Menschen angreifen. Trotz Feuer. Die können einen mit Tollwut infizieren. Und Schlange n … “
„Will! Sie verschwenden hier unsere Zeit. Wenn Sie sich nicht bald mal beruhigen, gehe ich ohne Sie.“
Der Halbmond hatte bereits seinen Zenit erreicht; ich wollte nicht erst überwechseln, wenn er schon deutlich am Sinken war. Da ich mit meiner Weisheit am Ende war, zog ich das Pendel hervor und hielt es Will vors Gesicht. Ich stand nicht sonderlich auf Hypnose, aber ich hatte damit in der Vergangenheit gute Resultate bei Klienten erzielt, die eine Seelenrückholung brauchten. In der Hoffnung, dass es bei ihm funktionieren würde, begann ich, ihn durch die Stufen der Entspannung zu führen.
Es funktionierte. Vielleicht war es aber auch nur meine Drohung, ihn zurückzulassen. Schließlich sah ich, wie er in einen Wachschlaf fiel, die perfekte Zeit für seine Seele, sich vom Körper zu lösen. Ich streckte meinen Zauberstab vor und zog Wills Geist zu mir, bis er an mir haftete wie eine statische Aufladung, unsichtbar, aber zu spüren. Dann entspannte ich mein eigenes Bewusstsein und ließ meinen Geist sich ausdehnen und die Wände dieser Welt berühren, schob seine Grenzen so weit in die Anderswelt, wie ich konnte. Während dieses Ausdehnens hielt ich eine Bewusstheit für meinen Körper aufrecht und machte mich bereit, ihn in seiner Gesamtheit hinüberzubringen. Im Gegensatz zu vielen anderen war ich sogar stark genug, weitere materielle Dinge mitzunehme n – meine Kleidung, meine Waffen.
Zunächst schien nichts zu passieren, dann flimmerte die Landschaft um mich herum, als wären wir in einer Luftspiegelung gefangen. Meine Sinneswahrnehmungen verschwammen, ich fühlte mich desorientiert, und dann klärte sich meine Umgebung wieder. Ich stellte fest, dass ich außer Atem war, und schwindelig war mir auch für einen Moment. Die Nebenwirkungen gingen schnell vorbei. Ich war ziemlich gut darin, zwischen den Welten zu wechseln.
„Ach du lieber Gott“, hauchte eine Stimme, die sich vage nach Will anhörte.
Ich wandte den Kopf und sah seine andersweltliche Erscheinung. Er war nicht einmal stark genug, um als Elementar herüberzukommen; stattdessen waberte er neben mir wie in unserer Welt irgendein stinknormales Gespenst: verschwommener Umriss, durchsichtig, wie Rauch.
„Sie haben es geschafft. Sie haben uns rübergebracht.“
„Hey, ich lebe, um zu dienen.“
„Das, Herrin, ist allerdings unsere Aufgabe.“
Ich wandte mich um und versuchte, mir meine Verblüffung nicht anmerken zu lassen. Meine Hilfsgeister standen vor mir, aber sie waren ganz anders, als ich sie kannte. Hier in der Anderswelt waren sie körperlicher und erschienen in ihrer natürlichen Gestalt, nicht als eine Projektion.
Nandi war eine hochgewachsene und strenge Schwarze von Mitte vierzig. Ihr Gesicht wies harte Linien und Kanten auf und war auf eine hoheitsvolle und raubvogelhafte Weise schön. Wellen von eisengrauen Haaren umgaben es. Ihre Miene war so niedergeschlagen und ausdruckslos, wie ich es von ihrer Geisterscheinung her kannte.
Was Finn betraf, so hatte ich erwartet, dass er klein und koboldhaft sein würde. Er war jedoch fast genauso groß wie ich. Seine schimmernden, strohblonden Haare standen in den irrsten Winkeln ab. Sommersprossen übersäten sein Gesicht, und das Grinsen, das er zur Schau stellte, spiegelte die
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