Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
waren, lagen ausgestreckt auf den Sitzmöbeln oder auch aufeinander und naschten lässig von den Früchten, während sie mich ansahen. Es erinnerte mich an die Art und Weise, wie man im Alten Rom gespeist hatte.
Aber hier hingen nicht bloß Feine ab. Es waren auch Geister und Kobolde und Trolle und Gespenster anwesend, dazu ein ganzes Sortiment Kreaturen der Anderswelt. Die Ausgeburten der menschlichen Vorstellungskraft Seite an Seite mit den hierher eingewanderten magischen Flüchtlingen.
Ich fragte mich, ob wohl je ein anderer Schamane so tief in die feine Gesellschaft vorgedrungen war. Mir fiel Rolands Warnung wieder ein, dass es mich vielleicht mitten ins Herz ihrer Welt verschlagen könnte. Hätte unsereins doch bloß eine Fachzeitschrift. So à la Journal für schamanische Attentate und Begegnungen mit der Anderswelt . Dann hätte ich aus dieser „Forschungsreise“ einen richtig spannenden Artikel für meine Kollegenschaft machen können.
Die Gesprächslautstärke fiel zu einem leisen Summen ab, während die Feinen miteinander flüsterten, ohne mich aus den Augen zu lassen. Sie grinsten anzüglich oder sahen mich finster an, also machte ich ein ausdrucksloses Gesicht, wie ich es immer für neue Klienten aufsetzte. Aber mein Puls überschlug sich, und irgendwie bekam ich auch nicht richtig Luft.
Auf meiner einen Seite ging Rurik, auf der anderen schwebte Volusian. Will und der Rest waren hinter mir.
„Was wollen die ganzen Leute hier?“, fragte ich leise Volusian. „Gibt er ein Fest?“
„Dorian ist ein sehr geselliger König. Er hat gern Leute um sich, vor allem, damit er sich über sie lustig machen kann. Er unterhält einen kompletten Hofstaat und lädt seine Edelleute regelmäßig dazu ein, hier zu speisen.“
Wir blieben stehen. Auf dem Thron saß ein Mann, Dorian wohl. Er wirkte gelangweilt. Er fläzte sich gegen die eine Armlehne und hatte einen Ellbogen so aufgestützt, dass er das Kinn in die Hand legen konnte. Dadurch sah er uns irgendwie schief an. Er hatte lange rotbraune Haare, die an die Bäume draußen erinnerten, mit Strähnchen in so ziemlich jedem Rot- und Blondton, den es gab. Er hätte glatt der personifizierte Herbst sein können. Eine so perfekte Haut hatte ich noch bei keinem Rothaarigen je gesehen: glatt und elfenbeinfarben, ohne jede Sommersprosse oder rosige Stelle. Ein umhangartiges Kleidungsstück aus waldgrünem Samt bedeckte unauffällige dunkle Hosen und ein weites, lässig-elegantes Hemd. Sein Gesicht war fein geschnitten mit gut geformten Wangenknochen.
„Knie nieder vor dem König“, befahl Rurik, „und gewöhn dich schon mal dran, auf den Knien zu sein.“
Ich bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick.
Er lächelte. „Ich kann gern nachhelfen.“
„Puh, genug davon. Lass sie in Frieden“, tönte Dorian lakonisch, ohne seine Haltung zu verändern. Nur sein Blick drückte ein vages Interesse an dem Geschehen aus. „Wenn sie die letzte Stunde über in deiner Begleitung war, hat sie eine Ruhepause verdient. Setz dich irgendwohin.“
Ruriks Selbstgefälligkeit wich schlagartig der Verlegenheit, doch er verneigte sich zum Thron hin und zog sich zurück. Damit gab es nur noch Dorian und ich. Wir starrten einander an. Er grinste.
„Nun, dann komm halt her. Wenn du schon nicht niederknien möchtest, dann will ich wenigstens einen anständigen Blick auf das schreckliche Monster werfen können, das sie mir da angeschleppt haben. Anscheinend haben alle eine Riesenangst vor dir. Ich muss gestehen, dass ich ihnen gar nicht glauben wollte, dass du es bist. Ich dachte, Rurik hätte schon wieder Pilze gegessen.“
„Wisst Ihr, wie viele unserer Leute sie getötet und unter Gewaltanwendung verbannt hat, Sire?“, rief Shaya irgendwo hinter mir. „Nicht einmal eine Minute hat sie für drei gebraucht.“
„Jaja, gewiss. Sie ist ganz schön furchterregend. Das liegt auf der Hand.“ Dorian sah mich erwartungsvoll an.
Ich schüttelte den Kopf. „Ich werde gar nichts machen, solange Ihr mir nicht Eure Gastfreundschaft gewährt habt.“
Das sorgte dafür, dass er sich aufsetzte. Sein Lächeln behielt er bei. „Köpfchen hat sie auch noch. Wiewohl du jedoch zugeben musst, dass es klüger gewesen wäre, um meine Gastfreundschaft zu bitten, bevor du deinen Fuß in meine bescheidene Hütte setzt. Schließlich hätte dich bis gerade eben jeder meinen Untertanen angreifen dürfen. Aber da wir nun einmal so weit gekommen sind, erzähl mir doch, Eugenie, waru m – ähm,
Weitere Kostenlose Bücher