Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
Moment. Ziehst du Eugenie vor, oder möchtest du lieber mit Miss Markham angeredet werden?“
Ich überlegte. „Mit Odile.“
Da entglitt ihm das Lächeln kurz. „Ach. Dann halten wir uns immer noch daran fest, ja? Nun gut, Odile , dann erzähle mir einmal, was den gefürchtetsten Feind der Glanzvollen zu meiner Schwelle führt und um Gastfreundschaft bitten lässt. Wie du dir vorstellen kannst, ist so etwas noch nie vorgekommen.“
Ich sah mich unter den Leuten um, die zusahen, zuhörten. Gar nicht auf sie achten , flüsterte eine innere Stimme. Lieber erst mal auf Dorian konzentrieren. „Darüber möchte ich hier vor dem Olymp eigentlich ungern reden. Ich würde das lieber unter vier Augen besprechen.“
„Oh.“ Er hob die Stimme. „Was sagt man dazu. Odile hätte gern ein Tête-à-tête mit mir.“
Ich wurde rot und hasste mich dafür. Nervöses Gelächter machte sich im Saal breit und wurde lauter und sicherer, als der König mit einfiel. Interessant. Ich musste wieder an das Zögern der Soldaten denken, als Volusian ihnen Dorians Zorn in Aussicht gestellt hatte. Der hier versammelte Hofstaat bestand aus Schafen, die nur darauf warteten, dass Dorian ihnen zu tanzen oder zu lachen befahl, das war klar; aber auf einmal fragte ich mich, ob diese Schafe vielleicht auch Angst vor den Launen ihres Schäfers hatten. Und ob ich vielleicht auch besser Angst gehabt hätte.
Ich bedachte seinen Scherz mit Schweigen. Er beugte sich vor und legte beide Ellbogen auf den Knien ab, stützte sein Kinn jetzt in beide Hände. „Wenn ich dir Gastfreundschaft gewähre, dann musst du mir das entsprechend vergelten. Ich werde dafür Sorge tragen, dass dir in meinem Haus niemand Leid zufügt, aber zugleich darfst auch du niemandem unter meinem Dach Leid zufügen.“
Ich sah nach hinten zu Volusian. „Davon hast du nichts erwähnt.“
„Herrgott noch mal“, fauchte er leise und ausnahmsweise gar nicht mehr unbeteiligt. „Was habt Ihr erwartet? Nehmt an, bevor Euer Tod noch näher bevorsteht als ohnehin schon und mich meiner Chance beraubt, selbst Hand an Euch zu legen.“
Ich wandte mich wieder zu Dorian um. Diese Entwicklung schmeckte mir nicht. Weder befand ich mich gern in einem Schlupfwinkel der Feinen, noch gefiel es mir, auf deren Gnade angewiesen zu sein. Wozu war ich noch mal hier? Ich rief mir das Bild der kleinen Jasmine Delaney ins Gedächtnis, wie man ihr drüben an Aesons Hof auf ähnliche Weise zusetzte. Bloß dass sie nicht nur Spott zu erdulden hatte.
„Einverstanden“, sagte ich laut.
Dorian sah mich schweigend an und nickte dann. „Ich ebenfalls.“ Er hob den Blick zur Menge. „Odile Dark Swan befindet sich nunmehr unter dem Schutz meiner Gastfreundschaft. Jeder, der auch nur so viel wie einen Finger an sie legt, bekommt denselben abgehackt und als Mahlzeit vorgesetzt.“ Er verkündete seine Drohung mit derselben Munterkeit, die auch Volusian dabei an den Tag gelegt hätte.
Gemurmel erhob sich. Es klang nicht gerade zufrieden. „Was wird sie daran hindern, ihren Schwur zu brechen?“, schimpfte jemand leise. Jemand anders sagte laut: „Sie könnte uns allesamt abschlachten!“
Dorians Blick ruckte wieder zu mir. „Hast du irgendeine Vorstellung, was für ein Albtraumwesen du hierzulande bist? Mütter drohen ihren Kindern, dass Odile Dark Swan sie holen kommt, wenn sie nicht artig sind.“
„Hey, ich lege es nicht darauf an. Ich komme nur, wenn einer vorher frech wird.“
Er zog eine Braue hoch. „Interessant. Aber wenn du das gern so möchtest, bittschön. Ich hege stets Bewunderung für Frauen, die im Bett wissen, was sie wollen.“
„He, so hab ich das nich t … “ Mir wurde erst jetzt klar, in welchem Ausmaß unsere Umgangssprache in die Welt der Feinen eingesickert war. Wir spiegelten einander; alles durchdrang sich.
Er schnitt mir mit einer Handbewegung das Wort ab. „Ich habe dir Gastfreundschaft gewährt, also komm her. Ich möchte den Schrecken sehen, der die Dunkelheit heimsucht.“
Ich zögerte, ebenso sehr aus Misstrauen wie aus Trotz gegen seine Spötteleien. Volusian flüsterte mir ins Ohr: „Er wird Euch nichts tun, er hat Euch sein Wort gegeben.“
„Ich weiß nicht, ob ich das wirklich glauben darf.“
„Ich aber.“ Mein Hilfsgeist sprach mit ruhigem Ernst. „Ihr wisst, dass ich Euch nicht anlügen kann.“
Ich sah wieder zu Dorian und stieg die Stufen hinauf, bis ich auf gleicher Höhe mit seinem Stuhl war. Ich erwiderte gelassen seinen Blick.
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