Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
bekommen.«
Er beugte sich zu mir. Seine grünen Augen funkelten. »Dann denke einmal über Folgendes nach: Warum wir Menschenfrauen wollen, weißt du. Warum sollten Menschenmänner unsere Frauen wollen?«
Ich sah ihn an und versuchte, hinter das zu kommen, was er schon wusste. Ein paar Sekunden später machte es klick. »Weil eure genau das andere Bedürfnis erfüllen. Ein Menschenmann kann Sex mit einer Feinen haben, ohne sich groß Sorgen machen zu müssen, dass sie schwanger wird. Oder dass er sich eine Krankheit holt.«
Feine waren in dieser Hinsicht gesünder als wir. Es hatte anscheinend etwas mit ihrer hohen Lebenserwartung zu tun –
»Oh Gott. Die spielt dabei natürlich auch eine Rolle.« Je mehr ich seinem Gedankengang folgte, desto klarer wurde alles. »Ihr lebt länger. Feinenmädchen bleiben über einen langen Zeitraum hinweg jung und schön …«
So langsam wurde es richtig gruselig. Bis zu diesem Moment war ich davon ausgegangen, dass wenige Sexualverbrechen schlimmer waren als die Vergewaltigungsversuche durch irgendwelche Feinen, die mich unbedingt schwängern wollten. So schockierend es war, ich hatte mich geirrt. Wenn das hier stimmte – wenn an der Idee, die Dorian mir nahelegte, etwas dran war – tja. Das war schlimmer. Feinenmädchen, die verschleppt wurden, weil sie ideale Sexpartner abgaben: jung, frei von Geschlechtskrankheiten, kaum zu schwängern – selbst von einem Menschen. Ich hätte beinahe gelacht. Es war wie in Tims Gedicht über die Frau aus einer anderen Welt, deren Schönheit und Jugend so groß waren, dass sterbliche Männer sie begehrten.
Die Frage war, was hielten die Feinenmädchen von der ihnen zugedachten Rolle? Viele Mädchen, die gern schwanger werden wollten, empfingen Menschenmänner vielleicht mit offenen Armen – nicht nur bildlich gesprochen. Aber Morias traumatisierter Zustand deutete darauf hin, dass sie sich nicht freiwillig mit Art eingelassen hatte –
Ich stand auf und rieb mir die Augen. »Oh Gott. Die Sachen … diese ganzen Sachen …«
»Was?«, fragte Dorian, verständlicherweise verwirrt.
Ich ließ die Hände sinken und sah ihn an. »Diese beiden Schamanen, Abigail und Art. Sie leben verdammt gut. Sie besitzen mehr Sachen … teurere Sachen, als sie sich eigentlich leisten könnten.« Arts großes Haus in einem Viertel der Oberschicht. Der glänzende SUV. Abigails zwar verkrempelte, aber eben luxusrenovierte Wohnung. Ihr teurer Schmuck. »Ich weiß nicht, wie, aber die verdienen Geld damit. Mit diesen Mädchen.« Ich ließ mich gegen die Wand sacken. »Und ich habe keine Ahnung, was ich dagegen unternehmen soll.«
Dorian stand auf und kam zu mir. »Du wirst der Sache ein Ende machen.«
Ich schüttelte den Kopf. »So einfach ist das nicht. Art hat recht … es gibt keine Schamanenpolizei oder so. Ich kann sie niemandem melden, jedenfalls keiner Behörde der Menschenwelt. Für so etwas ist niemand zuständig; hier greift keines unserer Gesetze.«
»Sie verstoßen gegen deine Gesetze«, sagte er und beugte sich mir entgegen. »Also hast du jedes Recht, sie zu stoppen. Behandele sie so, wie du jeden anderen Kriminellen in deinem Reich behandeln würdest. Töte sie.«
»Das kann ich nicht! Dazu würde ich sie erst einmal hier erwischen müssen, und das ist mir bisher nicht gelungen. Und ich fahre bestimmt nicht nach Texas und töte sie dort.«
»Warum nicht? Wenn jemand aus meinem Königreich in deinem jemanden ermordet, würde ich nicht mit der Wimper zucken, wenn du kommen und ihn hinrichten würdest.«
»Das ist etwas anderes. Sie sind …«
»Menschen?«
So ungern ich es zugab – genau das war der springende Punkt. Ich hatte Monster von meiner Welt zurück in ihre verfolgt und nie gezögert, sie zu töten oder schnurstracks in die Unterwelt zu verbannen. Aber die Vorstellung, Menschen zu verfolgen und gezielt zu töten –
Ich brauchte meine Antwort nicht auszusprechen; Dorian verstand auch so. Verzweiflung machte sich auf seinem Gesicht breit, diesmal gemischt mit … Zorn.
»Verdammt, Eugenie. Eben hast du noch gesagt, dass du hier für Ordnung sorgen musst! Was ist denn jetzt damit? Oder hängt das nur davon ab, was gerade geht? Oder in welcher Stimmung du bist? Wen du gerade sympathischer findest?«
»So einfach ist das nicht! Du verstehst das nicht. Du kannst es nicht verstehen. Ich stehe hier zwischen zwei Welten, zwischen zwei verschiedenen Treuepflichten. Ich habe mein ganzes bisheriges Leben als Mensch verbracht – in der
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