Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
rasch nebeneinander. Dorian sah das Bein natürlich auch. Er sah immer alles.
Kaspers Augen unter den buschigen grauen Augenbrauen waren fest auf das Brett gerichtet. Er machte einen Zug und schlug eine von Dorians Figuren. Dorian runzelte kurz die Stirn, dann setzte er sein Lächeln wieder auf und wandte sich an mich.
»Ihr seid hinreißend wie immer«, sagte er. »Dieser Rock ist über die Maßen schön. Kasper, schau sie dir einmal an. Siehst du, wie der Farbton mit ihren Augen harmoniert?«
Kaspers Miene besagte, dass er sich lieber dem Spielbrett gewidmet hätte, aber er drehte sich gehorsam zu mir um und nickte rasch mit dem Kopf. »Jawohl, Eure Majestät. Sehr kleidsam.« Dorian verstellte rasch einige weitere Figuren und setzte eine zutiefst nachdenkliche Miene auf, als Kasper sich wieder umwandte.
Mit einem Seufzen zog Dorian seinen Läufer. »Nicht meine beste Partie, aber es wird genügen müssen.« Er schlug eine von Kaspers Figuren.
Der Zug erwischte Kasper sichtlich unvorbereitet, was nicht weiter erstaunlich war, wo sich doch die Figuren nicht mehr dort befanden, wo sie eben noch gestanden hatten. Er musterte das Brett fast eine Minute lang und bewegte dann einen Springer, was ihm jedoch keine Figur einbrachte.
»Eugenie, Ihr seht aus, als wäret Ihr in einer Wüste gestrandet«, überlegte Dorian. »Aber das ist ja durchaus der Fall, nicht wahr? Was für ein Jammer, all diese Städte, die Hunger leiden müssen … Städte wie Songwood.«
Der Alte riss den Kopf hoch und starrte mich an. »Songwood?«
»Songwood?«, fragte ich gleichermaßen verwirrt. Dorian verstellte heimlich noch ein paar Figuren.
»Ich bin in Songwood geboren«, sagte Kasper. »Die Leute dort hungern?«
»Ach, wartet«, sagte Dorian. »Songwood liegt doch im Weidenland, nicht wahr? Entschuldigt, dass ich euch einen Schrecken eingejagt habe. Ich dachte irrtümlich, es würde zu Aesons Königreich gehören. In Songwood steht gewiss alles zum Besten.« Er studierte kurz das Schachbrett und setzte dann flink seine Dame. »Matt.«
Kasper fiel die Kinnlade herunter. »Das kann nicht …« Sein Blick huschte über das Brett, während er zweifelsohne nach einer Möglichkeit suchte, Dorians Zug zu neutralisieren.
»Gegen die Dame kommt man nicht an«, sagte Dorian leichthin. »Wenn sie einmal beschlossen hat, sich den König zu greifen, kann man sich ebenso gut fügen und es genießen.« Ich verdrehte die Augen. Kasper seufzte.
»Exzellentes Spiel, Eure Majestät.«
Dorian klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter, als der Alte aufstand. »Nimm es nicht so schwer. Du hast sehr anständig gespielt. Hier und da ein bisschen nachlässig, aber wer weiß? Es gibt immer ein nächstes Mal.«
Kasper machte erneut eine altersschwache Verbeugung und verließ uns dann. Ich sah Dorian tadelnd an.
»Du bist durch und durch schlecht. Du solltest dich schämen.«
»Wohl kaum«, sagte er. »Dieser gute Mann ist der Schachgroßmeister von sieben Königreichen. Eine kleine Demütigung tut ihm gut. Apropos Demütigung, wollen wir zum Geschäftlichen übergehen?«
Er stand auf und hielt mir eine Hand hin. Ich ergriff sie nicht, sondern folgte ihm einfach, als er ans andere Ende des Raums ging. Er ließ sich auf eine elfenbeinfarbene Couch sinken, während ich einen samtbezogenen Zweiersessel nahm, der dieselbe Farbe wie mein Rock hatte. Ich bekam den Eindruck, in einem Meer aus Purpur zu treiben. Dorian nahm einen Stapel Pergamentblätter von einem Beistelltisch.
»So. Unterschreib einfach, und wir können das Ganze hinter uns bringen.«
Ich blätterte die Papiere verblüfft durch. Das Meiste verstand ich nicht. Da gab es Warenlisten mit Mengenangaben, gestaffelte Zinssätze sowie irgendeine Art Zeitplan. Ich sah Dorian ungläubig an.
»Wollten wir nicht miteinander verhandeln?«
Er schenkte zwei Gläser Weißwein aus einer Karaffe ein, die auf dem Tisch zu seiner anderen Seite stand. »Ach, komm. Das willst du doch eigentlich gar nicht. Ich ganz bestimmt nicht. Also warum unsere Zeit verschwenden? Ich versichere dir, die Bedingungen sind sehr, sehr großzügig. Wahrscheinlich großzügiger, als du verdient hast, wenn man bedenkt, wie du mit meinen Gefühlen spielst. Dein Volk wird auf Vertrauensbasis jede Menge Waren für Kupfer bekommen, dessen Vorhandensein sich erst noch erweisen muss.«
»Und warum wolltest du dann, dass ich herkomme?«
»Musst du da noch fragen?«
»Nein«, grollte ich und unterschrieb mit einem Federkiel. Einem
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