Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
Silberfäden, um die ich ihn beneidete, nachdem meine eigenen Vorhänge bei einem Sturm zerfetzt worden waren, den ich unabsichtlich verursacht hatte. Angesichts des exzellenten Dekors und des üppigen Gartens kam ich mir als Hausbesitzerin völlig unzureichend vor.
Er öffnete die Kühlbox. »Ich wusste nicht, was Sie möchten, also habe ich eine kleine Auswahl mitgebracht.«
Die Box war voller Limonade und Bier. Kiyo wählte Letzteres, ich nahm mir eine erfrischende Cola. Jetzt am Nachmittag hatte es sich angenehm abgekühlt, und die Schatten der Bäume halfen auch. Die Erinnerung an die sengende Hitze auf dem Weg zu Dorian steckte mir immer noch in den Knochen, und so trank ich dankbar meine kalte Cola.
»Das ist ein toller Garten«, sagte ich. »Ich wünschte, ich hätte die Geduld dafür. Meiner ist sozusagen ein Steingarten.«
Art grinste, sodass sich seine Lachfalten vertieften. Seine Augen waren azurblau und stachen richtig aus seinem sonnengebräunten Gesicht hervor. »Aber das ist doch gerade modern bei Ihnen in der Gegend, oder nicht?«
»Ja, schon. Bloß gibt es einen feinen Unterschied zwischen einem geschmackvollen Arrangement von Sand und Steinen und … na ja, einfach einem Haufen Sand und Steine.«
Er lachte wieder. »Tja, Sie haben eben Besseres zu tun. Roland erzählte mir, dass Sie ganz schön viel um die Ohren haben, seit er sich zur Ruhe gesetzt hat.«
»›Zur Ruhe gesetzt‹ ist eine fragwürdige Bezeichnung. Es fällt ihm schwer, stillzusitzen, wenn er weiß, dass ich draußen bin und meine Arbeit allein erledige.«
»Und wie ich höre, betreffen auch die Fragen, die Sie an mich haben, Ihre Arbeit?«
Er kam gleich zur Sache. Das gefiel mir. »Sie haben hier einen Riesenkreuzweg.«
»Stimmt. Hält einen beschäftigt.«
»Kommen viele Feine rüber?«
Er nahm einen tiefen Schluck von seinem Bier und dachte nach. »Na ja, es kommen doch immer wieder welche rüber.«
»Gab es in der letzten Zeit einen ungewöhnlichen Anstieg? Vor allem von Mädchen?«
Er hob überrascht die Augenbrauen. »Nicht, dass es mir aufgefallen wäre. Warum fragen Sie?«
»Hat mit einem Auftrag zu tun«, sagte ich vage.
»Es kommen natürlich immer mal Frauen rüber«, überlegte er. »Aber meistens Männer. Wenn sich daran plötzlich was ändern sollte, müsste das auffallen. In der letzten Zeit mache ich hauptsächlich Austreibungen.«
Ich nickte. Bevor die Feinen und andere Kreaturen der Anderswelt beschlossen hatten, mich zu schwängern, hatte ich auch größtenteils mit Geistern zu tun gehabt. Das war ein normaler Bestandteil der Arbeit eines Schamanen.
»Tut mir leid, dass ich Ihnen nicht mehr behilflich sein kann«, fügte Art freundlich hinzu. Ich hatte wohl ein enttäuschtes Gesicht gemacht. »Aber Sie sollten sich mal mit Abigail kurzschließen.«
»Sie ist die andere hier, nicht wahr?«
»Jepp. Wir arbeiten manchmal zusammen. Vielleicht ist ihr etwas aufgefallen, das mir entgangen ist.«
Ich dankte Art für seine Hilfe, und die nächste Stunde lang plauderten wir über alles Mögliche. Art erkundigte sich nach Kiyos Hintergrund. Roland hatte Kiyos andersweltliche Abstammung spüren können, aber Arts unverbindlich-höflicher Ton ließ mich vermuten, dass er diese Gabe nicht besaß. Außerdem wollte Art ein bisschen was über meine Aufträge wissen; zweifelsohne hatte ihn mein Interesse an Feinenmädchen neugierig gemacht. Ich gab nur ungefähre Antworten, aus denen sich unmöglich erkennen ließ, dass ich zum Schutz meiner Untertanen ermittelte.
Nachdem wir uns verabschiedet hatten, ging es weiter zu der zweiten Adresse, die Roland mir gegeben hatte. Abigail bewohnte eine Wohnung in der Innenstadt von Yellow River, die sich sehr von Arts geruhsamer Wohngegend unterschied. Wobei die Innenstadt mehr florierte, als ich erwartet hätte. Yellow River war eine Kleinstadt, die ihre besten Tage hinter sich hatte, besaß aber immer noch eine Auswahl interessanter Läden und Restaurants. Abigails Wohnung lag direkt über einem Antiquitätengeschäft, und es führten zwei wackelige Treppen zu ihr hinauf. Die geheimnisvolle, verstaubte Atmosphäre des Ganzen passte viel besser zu den klischeehaften Vorstellungen von Schamanismus.
Tatsächlich entsprach die Frau, die uns aufmachte, wahrscheinlich dem Bild der meisten Menschen von einer Schamanin. Sie war alt und trug ihre langen grauen Haare zu einem Zopf gebunden. Ihre weite Bauernbluse hatte ein malvenfarbenes und gelbes Blumenmuster, und um ihren
Weitere Kostenlose Bücher