Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
nicht! Ich bezahle schließlich jemanden dafür.“
Mit großer Anstrengung schaffte Lara es, den Blick von Tim zu lösen und wieder an ihre Arbeit zu denken. „Ist alles fertig. Sie müssen nur noch unterschreiben. Ich hab gedacht, wenn ich sie Ihnen per Post schicke, kommen Sie vielleicht nicht dazu.“
„Das ist wirklich nett von Ihnen“, sagte Tim. „Sich an Ihrem Wochenende extra Zeit dafür abzuknapsen.“
„Ich nehme meine Arbeit ernst“, sagte sie. „Außerdem hatte ich eh nichts anderes vor.“
„Ehrlich?“ Er beugte sich vor. „Wollen wir zusammen auf das Kulturfestival an der Uni gehen? Ich trage dort heute Gedichte vor.“
Lara blieb der Mund offen stehen. „Das wäre toll. Euer Volk hat bestimmt ein ganz wunderbares Verständnis von der Welt.“
„Er ist kein–“, setzte ich an.
Lara wandte sich zu mir herum und hatte jetzt wieder ein ganz geschäftsmäßiges Gesicht. „Unterschreiben Sie das, während wir weg sind. Und denken Sie an Ihre Termine, ja? Drei Aufträge heute?“
„Jaja. Während ihr zwei euch unter die Studenten mischt, kämpfe ich brav um mein Leben.“
Tim stand auf und stellte seinen kaum angerührten Teller auf den Tresen. „Wir können los, wann immer Sie so weit sind.“
Sie reichte ihm ihren ebenso unangerührten Teller. „Ich bin so weit. Ich muss nur noch mal kurz ins Bad.“
Sie war kaum weg, da drehte sich Tim zu mir um. „Warum hast du mir nicht gesagt, dass sie richtig nett ist? Die ganze Zeit über hast du mich denken lassen, sie wäre eine totale Zicke.“
„Ich hab dir hundertmal gesagt, dass sie keine Zicke ist! Du bist zu dem Schluss gekommen, dass sie eine wäre, bloß vom Telefonieren her. Und nett findest du sie bloß, weil du jetzt weißt, wie sie aussieht, und sie ins Bett kriegen willst!“
Tim sah mich ernst an. „Eugenie, das ist doch keine Frau für eine Nacht. Sie ist eine Göttin.“
„Nicht zu fassen“, sagte ich.
Als Lara zurückkam, hatte sie Lippenstift aufgetragen und sich die Haare gemacht. „Fertig.“
Ich starrte das schmutzige Geschirr an, das Tim auf dem Tresen stehen gelassen hatte. „Vergiss das Abwaschen nicht, wenn du zurückkommst!“, rief ich ihnen hinterher, als sie das Haus verließen.
„Und vergiss du nicht, Geld zu verdienen, während wir weg sind!“, rief er zurück. „Die Hypothek zahlt sich nicht von allein ab.“
„Musst du gerade sagen“, höhnte ich. Aber sie waren schon weg und bekamen eh kaum was mit in ihrer gegenseitigen Betörung. Angesichts der Wendungen, die mein Leben genommen hatte, war ich davon ausgegangen, dass mich nichts mehr überraschen würde. Damit hatte ich eindeutig falsch gelegen. Ich wandte mich um und machte mich selber an den Abwasch. Irgendwelchen übernatürlichen Wesen in den Hintern zu treten war eigentlich genau, was ich jetzt brauchte.
KAPITEL 7
Bevor ich ging, unterschrieb ich die Steuererklärung und legte einen Scheck dazu. Passte ja: eine Nachzahlung. Freiberufler müssen immer nachzahlen. Lara hatte meine Bücher immerhin so gut geführt, dass die Summe niedrig war; aber nachdem ich gerade miterlebt hatte, wie sie mit meinem Mitbewohner durchbrannte, war es nur gut, dass unsere berufliche Beziehung keine Mitarbeiterbewertung beinhaltete.
Der prallvolle Arbeitstag, den sie mir hinterlassen hatte, stellte sich aber als Segen heraus. Die engen Termine lenkten mich von Dorian ab (jedenfalls einigermaßen) und überhaupt von allem, was gerade in der Anderswelt passierte. Ich kämpfte mit aller Brutalität, als wäre jedes Gespenst oder Monster, mit dem ich mich herumschlug, Katrice höchstpersönlich. Es waren die Fahrten dazwischen, die mir am meisten zusetzten. Dann gab es keine Action. Sondern nur mich und meine Gedanken.
Mein letzter Job des Tages war der schwierigste, was Lara sicher absichtlich so gelegt hatte, damit ich bei den leichteren nicht erschöpft und zerschrammt aufkreuzte. Stimmte schon, ich war müde, aber die Sorge um Dorian ließ einen Spitzenwert an Adrenalin durch mich brennen, der mich auch noch durch diesen letzten Auftrag tragen würde. Aber als ich zum Haus der Klientin ging, konnte ich nicht aufhören, immer dieselben Fragen im Kopf zu wälzen. Warum ist Volusian noch nicht mit seinem Bericht aufgekreuzt? Ist die Schlacht noch nicht vorbei?
Eine junge Frau mit nervösem Gesicht machte auf und stellte sich als Jenna vor. Sie war es, die angerufen hatte, allerdings nicht für sich.
„Sie ist im Wohnzimmer“, flüsterte
Weitere Kostenlose Bücher