Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
der Hoffnung, dass es nicht irgendwelche Missionare waren, machte ich auf, und mir blieb der Mund offen stehen. Katrice auf der Schwelle zu sehen hätte mich auch nicht mehr umgehauen. Es war Lara. Meine Verblüffung ließ sie schmunzeln. Ich sah sie so gut wie nie in natura. Sie arbeitete von zu Hause aus, und die meisten Sachen konnten wir per Telefon und E-Mail klären.
„Kommen Sie rein.“ Ich war immer noch völlig verdattert. Sie trat in die Küche, so klein, blond und niedlich wie eh und je. Sie hatte einen Riesenstapel Unterlagen in den Armen. „Gefällt mir gar nicht, wie das aussieht.“
„Es ist Ihre–“
Lara blieb unvermittelt stehen, als sie Tim sah. Ihre Augen wurden groß. Er schaufelte das letzte Ei auf den Teller und warf einen Blick zu ihr rüber. In seinen Augen stand ähnliche Verblüffung. Und er fing sofort an, auf seine charmante, hochschwindlerhafte Art zu schauspielern.
„Eine schöne Blume hat sich zu uns gesellt, die Blüten geöffnet und leuchtend in der Morgensonne.“ Er verwendete seine schreckliche Hugh-ich-habe-gesprochen-Stimme. Eifrig zog er einen Stuhl vom Küchentisch zurück. „Komm. Wir wollen essen und uns gemeinsam an Mutter Erdes reicher Fülle erfreuen.“
Benommen ging Lara zum Tisch und setzte sich. Sie konnte die Augen nicht von Tim lassen– vor allem nicht von seiner Brust. „Danke.“
„Es ist mir eine Ehre, dich– scheiße! Die Zimtschnecken!“
Er stürzte mit einem Backhandschuh zum Ofen und machte die Klappe auf, aus der prompt Rauch quoll. Lara drehte sich verschwörerisch zu mir um, während er den Zustand seiner Backwaren mit einem Ächzen kommentierte.
„Eugenie, warum steht bei Ihnen ein heißer Indianerhäuptling in der Küche und kocht?“, flüsterte sie.
„Na ja“, sagte ich, als mir klar wurde, dass die beiden einander noch nie persönlich begegnet waren. „Er ist kein Häuptling, noch nicht mal Indianer. Das ist Tim.“
„Das ist– was?“ Ihre babyblauen Augen wurden noch größer. „Im Ernst?“
„Absolut.“
Tim kratzte in der Zwischenzeit das Schwarze von den Unterseiten seiner Zimtschnecken. Er hielt mir eine zur Prüfung hin.
„Ist doch prima“, sagte ich.
Er drehte sich zu Lara um und setzte sein Lächeln wieder auf. „Ich bitte dich tausendmal um Verzeihung für diese unwürdige Speise, die ich dir vorsetzen muss. Ein zartes, bildschönes Geschöpf wie du verdient–“
„Nun hör aber auf“, rief ich. „Erspar uns das Geschwätz, Tim, ja? Das ist Lara.“
„Das ist…“ Ihm fiel die Zimtschnecke vom Pfannenwender zurück auf das Blech. „Im Ernst?“
Ich seufzte.
Beide schienen nicht zu wissen, was sie sagen sollten. Lara klappte den Mund auf und zu, ohne dass Wörter herauskamen. Schließlich plapperte sie: „Ich komme mit den Steuerunterlagen.“
Tim schluckte. „Ich… Das ist doch toll.“
Ich war über Seufzen oder Ächzen hinaus. Inzwischen kämpfte ich dagegen an, mit dem Kopf auf die Tischplatte zu hämmern. „Nein, ist es gar nicht. Können wir jetzt frühstücken?“
„Ich…“ Tim bekam sich doch noch in den Griff. „Klar. Sicher.“ Er sah Lara an. „Mögen Sie Eier und Zimtschnecken?“
„Ich liebe Eier und Zimtschnecken.“
Er richtete ihr flink einen Teller an und gab ihn ihr.
„Hey!“, sagte ich.
Er funkelte mich an. „Nun gedulde dich mal eine Sekunde. Wir haben einen Gast. Sei ein bisschen höflicher– zumal sie sich die Mühe gemacht hat, deine Steuern zu machen.“
„Dafür bezahle ich sie schließlich.“
Lara biss von einer Zimtschnecke ab. In seiner Benommenheit hatte Tim vergessen, den Boden abzuschneiden. „Das ist das Beste, was ich je gegessen habe. Wie kann das sein?“ Sie schenkte ihm ein scheues Lächeln. „So gut aussehen und dann auch noch kochen können.“
Er erwiderte ihr Lächeln und ließ fast den Teller fallen, den er mir gerade reichte. „Ich kann noch viel mehr.“
„Oh mein Gott.“ Bis zu diesem Moment hatte ich geglaubt, nichts könnte nerviger sein, als dass sie sich ständig am Telefon anzickten. Auf einmal sehnte ich mich förmlich danach, dass sie zu streiten anfingen.
„Außerdem“, sagte er und setzte sich mit seinem eigenen Teller zu uns, „ist es doch der Hammer, dass Sie Steuern machen können. Könnte ich nie.“
„Weil du ja gar kein Einkommen hast, von dem du Steuern zahlen müsstest“, sagte ich.
„Hey“, fauchte er. „Nicht so wertend. Du kannst schließlich auch keine Steuern machen.“
„Muss ich ja
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