Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
wollen Sie jetzt wohl eher nicht hören, was für neue Anfragen reingekommen sind?“ Es war das erste Mal, dass sie mir nicht sofort mit der Arbeit kam. Ich nehme an, sie begriff allmählich, wie aufreibend mein Leben war und dass direkt aufeinanderfolgende Jobs nicht so einfach abzuhaken waren wie Punkte auf einer Liste.
„Eher nicht. Für die nächsten paar Tage nicht.“
„Die nächsten paar–“ Sie verkniff sich ihren Protest und nickte brav.
Ich ging an den beiden vorbei zu meinem Zimmer. „Ich hab Sachen zu erledigen“, rief ich nach hinten. „Also macht einfach… was ihr eben gerade gemacht habt.“
Ehrlich gesagt hatte ich keine Lust auf die Arbeit, die vor mir lag. Ich hatte Lust, einmal zu schauen, was Tim für Backwaren in der Küche gehamstert hatte, und dann das Nickerchen nachzuholen, das ich schon bei Kiyo hatte halten wollen. Aber das konnte ich knicken. Ich hatte Deanna etwas versprochen, und das musste ich auch einhalten, egal welches Durcheinander in meinem Leben ansonsten gerade herrschte. Also setzte ich mich nach dem Waschen und Umziehen auf die Bettkante und griff nach meinem Handy. Ich starrte es eine ganze Weile nur an, strich mit den Fingern die Ränder entlang und zögerte den Anruf hinaus. Schließlich wählte ich eine Nummer, die ich auswendig konnte, und wartete.
Es bestand die große Wahrscheinlichkeit, dass niemand ranging. Aber ich rief das Handy meiner Mutter an, was mir eine höhere Chance gab als ihr Festnetzanschluss. Ich wusste, dass Roland sie aufgefordert hatte, mir gegenüber auf Distanz zu bleiben, aber nachdem sie mich im Krankenhaus gesehen hatte, würde sie sich wahrscheinlich gegen jede solche Vorgabe sträuben– und sei es nur aus der Angst, dass mir etwas hatte amputiert werden müssen oder so.
„Hallo?“
Mir stockte der Atem, und ich bekam kein Wort heraus. Allein schon dieses eine Wort… der Klang ihrer Stimme. Emotionen durchströmten mich, und ich musste mir mit Gewalt ins Gedächtnis rufen, was ich gerade zu erledigen hatte.
„Mom?“
„Genie? Alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie prompt. Wie ich mir schon gedacht hatte, sie befürchtete Amputationen.
„Jaja, mir geht’s bestens. Und dir?“
„Gut. Aber ich mache mir Sorgen um dich– wie immer.“
„Bei mir ist alles okay. Wirklich. Aber ich muss– ähm, ich muss Roland mal sprechen.“
Langes Schweigen.
„Eugenie–“
„Ich weiß, ich weiß. Aber ich brauche bei etwas seine Hilfe. Es wird nicht lange dauern. Nur eine Frage. Bitte.“
Sie seufzte. „Ach, Schatz. Ich würde ja wirklich gern, aber er hat ganz klar gesagt… Du weißt, wie es ihm mit der ganzen Sache geht…“
„Hier geht es um eine Menschenfrau.“ Das war nur halb gelogen. „Um einen Auftrag in dieser Welt. Bitte, Mom. Kannst du ihn nicht einfach fragen, ob er mal kurz mit mir redet?“
Noch mehr Schweigen, dann wieder ein Seufzer. „Bleib dran.“
Ich wartete und verdrehte nervös den Stoff der Steppdecke auf meinem Bett. Was kam jetzt? Die wahrscheinlichsten beiden Möglichkeiten waren, dass mir meine Mutter entweder seine Weigerung ausrichten oder die Verbindung einfach plötzlich abgebrochen sein würde. Aber denkste. Als Nächstes war Rolands Stimme zu hören.
„Ja?“ Kalt. Misstrauisch.
Nach allem, was in der Anderswelt gerade passiert war, machte es mich fast fertig, seine Stimme zu hören. Ich hätte am liebsten losgeheult und ihn angefleht, mir zu verzeihen. Ihn angefleht, mich wieder lieb zu haben. Aber das hatte meine Mutter bestimmt schon ausgiebig getan. Und eindeutig mit wenig Erfolg. Ich hatte keinen Grund zu der Annahme, dass ich mehr Glück haben würde, also schluckte ich die Tränen runter und setzte einen ähnlichen Tonfall auf wie er. Rein geschäftlich, das Ganze.
„Ich brauche jemanden, den ich empfehlen kann. Einen Privatdetektiv. Jemanden, der bei dem Kram, mit dem wir uns herumschlagen, nicht gleich ausrastet. Ich dachte, du kennst bestimmt jemanden.“
„Du brauchst einen Detektiv für eine Monsterjagd?“
„Nein, nein. Es ist eigentlich was ziemlich Normales– eine reine Menschensache. Aber wenn man bedenkt, was wir so machen… Da dachte ich eben, es sollte jemand sein, der damit umgehen kann, wenn was Unheimliches passiert.“ Es bestand kein Grund, dass Deanna direkt mit dem Detektiv zu tun bekam– oder dass ich ihre neue Existenzform auch nur erwähnte–, aber ich wollte sichergehen.
„Tja“, sagte Roland. „Eines wollen wir mal klarstellen: Bei dem,
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