Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
Frauen.“
Kiyo gab ein leises Geräusch von sich, das vielleicht ein Lachen war. „Das ist ja lächerlich“, entfuhr es mir. Ich hatte keine Ahnung, ob ich jetzt beleidigt sein sollte oder nicht. „Ich brauche Sie für die Ermittlung in einem Mordfall.“
Enrique zog eine Augenbraue hoch. „Dafür gibt es die Polizei.“
„Die hat ihre Ermittlungen schon abgeschlossen. Mit dem Ergebnis, dass es Selbstmord gewesen ist.“
„Und mich brauchen Sie, weil…?“
„Weil ich nicht glaube, dass es einer war. Sondern dass es ein Mord war und die Familie des Opfers vielleicht in Gefahr schwebt.“
Enrique versuchte nicht, seine Skepsis zu verbergen. „Haben Sie irgendwelche Indizien, die diese… Hypothese stützen?“
Ich holte tief Luft. Hoffentlich lag Roland richtig, was diesen Burschen betraf. „Die, ähm, Tote sagt, dass sie sich nicht umgebracht hat. Ihr Geist.“
„Ihr Geist“, wiederholte er. Wie auf Stichwort materialisierte sich Deanna im Zimmer, aber Enrique konnte sie nicht sehen. Kiyo und ich mit unseren andersweltlichen Sinnen schon, aber wir ließen uns ihre Gegenwart nicht anmerken.
Ich nickte. „Roland hat gesagt–“
„Jaja. Ich weiß von dem Hokuspokus, mit dem er sich rumschlägt. Aber ich kann mir auch vorstellen, dass ein Selbstmord eine dermaßen traumatische Erfahrung ist, dass ihr Geist verdrängt hat, was sie getan hat.“
„Das ist nicht wahr!“, rief Deanna.
Ich hielt es durchaus für plausibel, wollte zunächst aber sämtliche anderen Möglichkeiten prüfen. „Ich glaube nicht, dass das der Fall ist. Ich glaube, sie ist wirklich ermordet worden. Wenn das zutrifft, müssen wir sicherstellen, dass ihren übrigen Angehörigen nichts passiert.“
„Wenn sie ermordet wurde“, hielt Enrique dagegen, „dann ist die statistische Wahrscheinlichkeit groß, dass es jemand von ihren Angehörigen war.“
„Das stimmt auch nicht!“
Ich ignorierte Deannas zweiten Ausbruch und konzentrierte mich weiter auf Enrique. „Na ja, ob so oder anders, ich muss es wissen.“
Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück, legte die Füße auf den Schreibtisch und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Fehlte bloß noch, dass er mich mit ‚Lady‘ anredete. „Die Polizei bezieht das alles in ihre Erwägungen mit ein, wissen Sie. Was bringt Sie auf die Idee, dass ich etwas rauskriegen werde, was den Cops entgangen ist?“
„Ich dachte, Kerle wie Sie hätten mehr drauf als die Cops“, sagte Kiyo. „Weil Sie Verbindungen und Kanäle haben, die Gesetzeshütern verschlossen bleiben. Und weil Sie nicht nach denselben Regeln spielen.“
„Das ist richtig.“ Enrique schien geschmeichelt. Außerdem, ich schwöre, nahm er Kiyo ernster als mich. „Ich kann ja mal einen Blick drauf werfen. Aber ich werd’s nicht für umsonst machen, bloß weil Sie niedlich sind.“ Das war wieder an mich gerichtet.
Ich machte kein finsteres Gesicht. „Das habe ich auch nicht von Ihnen erwartet. Ich kann bezahlen.“
Er dachte nach und nickte schließlich, setzte sich wieder gerade hin. „Gut. Erzählen Sie mir, was Sie wissen, und ich kümmere mich darum, sobald ich kann.“
„Was!“, rief Deanna.
„Das drängt gewissermaßen“, sagte ich. Vor allem, weil ich nicht sicher war, wie lange ich Deanna noch ertrug.
Enrique zeigte zu einem Aktenstapel auf einem Tisch. „Das auch. Ich ertrinke in Papierkram. Ich schaffe es nicht mal bei der Hälfte der Fälle, sie laufend zu halten.“
„Wir bezahlen Sie dafür, wenn Sie den Fall vorziehen“, sagte Kiyo. Ich warf ihm einen erstaunten Blick zu und war wenig begeistert, dass er für mich gesprochen hatte– zumal mein Einkommen gerade niedriger war als normalerweise.
Aber er bekam Enriques Aufmerksamkeit. „Dann wird er vorgezogen.“
Ich gab ihm sämtliche Einzelheiten, die ich von Deanna erfahren hatte, und Enrique musste zugutegehalten werden, dass er sich Notizen machte und sachdienliche Fragen stellte, die meinen Glauben an seine Fähigkeiten bestärkten. Der Honorarsatz, den er nannte, erfreute mich weniger, aber daran ließ sich nichts drehen.
Als Kiyo und ich schließlich aufstanden, um uns zu verabschieden, konnte ich mir nicht verkneifen, das Offensichtliche anzusprechen. „Es scheint Ihnen doch ziemlich gut zu gehen… warum liegt Ihr Büro dann in einer solchen Müllkippe?“
Enrique wirkte weniger beleidigt als vielmehr verächtlich, dass ich eine dermaßen blöde Frage stellte. „Wissen Sie, was Büroräume derzeit so an Miete
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