Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
anmerken, aber mein Herz raste. Ich überlegte fieberhaft. Meine Freunde waren im Moment nicht akut bedroht, und dass Varia die Zwillinge ausfindig gemacht hatte, konnte ich mir nicht vorstellen. Was blieb dann noch? Meine Königreiche. Varia war sauer genug über die Flucht, um irgendetwas Krasses zu machen, und mir schossen Albtraumszenarios durch den Kopf. Was, wenn sie das eine Königreich vernichtete, um mir zu zeigen, wie sehr auch das andere bedroht war? Grausig viele Leben hingen von mir ab, und wenn Varia versuchen sollte, ihnen irgendetwas zu tun, dann würde ich sie auf der Stelle in der Luft zerreißen, ob mit oder ohne Sturm.
Sie lächelte grausam. »Bald werdet Ihr zu spüren bekommen, auf was ich alles Zugriff habe, dann nämlich, wenn – Himmel Herrgott noch mal! Schafft sie hier raus!«
Die Hündchen hatten ihren großen Moment durchkreuzt, indem sie wieder loskläfften. Rasch klaubte eine Dienerin sie auf und huschte mit ihnen nach draußen. Sie fluchte, als der eine Hund sie biss.
»Nun denn.« Varia nickte einem Wachsoldaten zu. »Führt ihn herein.«
Der Soldat verneigte sich knapp und eilte aus der Tür. Einen Moment später kam er mit einem Gefangenen wieder herein – Dorian.
Anscheinend war ich nicht die Einzige, die früh geweckt worden war. Dorian sah ein bisschen mitgenommen aus, zeigte ansonsten aber keinerlei Anzeichen von Verletzungen oder Besorgnis. Im Gegenteil, er hatte seine typische träge Miene aufgesetzt, als hätte er vorgehabt, in Ketten hierherzukommen und Varia wäre so freundlich gewesen, seinem Wunsch zu entsprechen. Er sah kurz zu mir, dann konzentrierte er sich auf Varia und feuerte sein charmantes Lächeln auf sie ab.
»Eure Majestät. Wie nett von Euch, mich zum Frühstück holen zu lassen. Und ich muss sagen, Ihr seht heute Morgen überaus reizend aus. Wie ich immer zu sagen pflege, Frauen können gar nicht genug Mühe darauf verwenden, ihren Kleidungsstil auf das Innendekor abzustimmen. Ebenso pflege ich immer zu sagen, dass Haarbürsten überschätzt werden. Nicht wahr, Eugenie?«
Ich antwortete nicht, weil ich mich zu sehr auf Varias nächsten Schachzug konzentrierte. Dass Dorian hier war, konnte nichts Gutes bedeuten. Sie musterte ihn lange, dann wandte sie sich an mich.
»Ich hätte Euch nicht die Gelegenheit geben sollen, das Ganze zu überschlafen«, sagte sie brüsk. »Das war eine Nachsichtigkeit meinerseits, die sich nicht wiederholen wird. Ich will Eure Lehnstreue. Ich will die Eisenkrone. Verweigert Ihr Euch auch nur in einer Sache, werde ich den Eichenkönig nachher im Rahmen meiner Abendunterhaltung hinrichten lassen.«
Ich lachte, obwohl mir nicht danach zumute war. »Ihr könnt ihn nicht töten. Ihr braucht ihn. Er soll Euch sein Königreich unterstellen.« Die genauen Einzelheiten des gestrigen Gesprächs wusste ich nicht, aber ich musste davon ausgehen, dass sie ihm ein ähnliches Ultimatum wie mir gestellt hatte. Und dass er abgelehnt hatte.
»Wohl wahr, es ist einfacher, wenn ich den Monarchen eines Landes zur Hand habe, aber er besitzt ja nur ein Königreich. Sein Tod wird mir dienlicher sein als seine Unterwerfung. Es wird einfach jemand anderer das Land beanspruchen, und mag es auf diese Weise auch länger dauern, das Eichenland wird mir gehören, sobald der neue König oder die neue Königin mir Treue schwört.«
Dorian lächelte immer noch, aber es wirkte jetzt doch angespannt. Er kniff die Augen zusammen. »Sagt, was Ihr wollt, aber selbst die niedrigste Küchenmagd in meiner Burg würde Euch das Land, wenn sie es denn gewinnen könnte, niemals unterstellen. Und Eugenie wird ganz gewiss nicht nur um meinetwillen die Eisenkrone für Euch einsetzen. So große Wertschätzung genieße ich bei ihr durchaus nicht. Das hier ist nichts als alberne Zeitverschwendung. Warum setzen wir uns nicht zu einem köstlichen Morgenmahl, bestehend aus Tee und Pasteten, zusammen und lassen diese Albernheiten hinter uns? Wo sind übrigens Eure charmanten Schoßtiere abgeblieben?«
Bezüglich der Eisenkrone sagte er etwas Wahres. Ich würde sie nicht aufgeben, nicht einmal, wenn ich damit sein Leben retten konnte – bloß fiel mir diese Entscheidung nicht annähernd so leicht, wie es bei ihm klang. Zwar siegte da Verstand über Bauchgefühl, weil so noch das Beste dabei herauskam, aber mir war klar, dass ich an dieser Entscheidung noch zu knabbern haben würde.
»Ich scherze nicht«, sagte Varia zu mir. »Der Eichenkönig wird sterben, wenn Ihr meiner
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