Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
wir immer noch durch den Schnee stapfen, und ich war längst noch nicht wieder so in Form wie vor der Schwangerschaft. Seinem schweren Atem nach zu urteilen, hatte Roland auch so seine Mühe.
Die klobige Festung des Dornenlands kam in Sicht, als wir noch ein gutes Stück von ihr entfernt waren. Das Gelände an sich hatte sich unter der Plage nicht verändert, und die Landschaft war hier relativ flach, sodass sich der schwarze Steinbau schroff vom Schnee abhob. Wir waren bereits in Reichweite der Wachpatrouillen, und bald kam ein Soldat angeritten und wollte wissen, wer wir waren.
»Ich bin’s.« Ich wappnete mich gegen die Kälte und nahm Mütze und Schal ab. Er starrte mich ein paar Sekunden lang an, bis sich auf seinem Gesicht Erkennen zeigte. Selbst dann konnte er eindeutig kaum glauben, was er sah. »E-eure Majestät? Seid Ihr es wirklich?«
»Eben dieselbe«, sagte ich und packte mich wieder ein. »Bloß ein bisschen kälter.«
Der Soldat wandte sich ab und rief etwas. Kurz darauf kam ein zweiter Soldat angeritten und war ebenso verblüfft und aufgeregt wie sein Kamerad. »Reite zurück und sag ihnen, dass sie da ist«, sagte der erste. Er stieg ab und bot Roland und mir sein Pferd an. »Steigt auf und wärmt Euch. Ich folge zu Fuß.«
Ich wollte widersprechen, aber der Wachsoldat war warm angezogen und im Gegensatz zu uns wahrscheinlich längst an diese Temperaturen gewöhnt. Ich dankte ihm, und Roland und ich stiegen auf. Mein Körper erinnerte sich problemlos, wie das ging, und ich freute mich erneut, dass ich meine frühere Beweglichkeit zurückerlangte. Das Pferd kam mit zwei Reitern langsamer voran, aber unsere Geschwindigkeit war deutlich besser als zu Fuß. Der Soldat, der vorgeritten war, hatte uns längst abgehängt; darum wurden wir am Burgtor bereits erwartet.
Mein Absteigen geriet mir wenig elegant – und führte mir vor Augen, dass ich mich lieber nicht dermaßen meiner verbesserten Sportlichkeit rühmte. Meine Unbeholfenheit sprach wenig von der Würde des Königtums, aber das spielte für die Zuschauer eindeutig keine Rolle, als sie mein Gesicht erblickten. Erstauntes Aufkeuchen war zu hören, und sie fielen einer nach dem anderen auf ein Knie in den Schnee und flüsterten: »Eure Majestät.« Ich hatte mich selbst unter den günstigsten Umständen nie mit solchen Loyalitätsbekundungen anfreunden können und hier in Schnee und Frost erst recht nicht. Ich wollte die Leute schon zum Aufstehen drängen, da bemerkte ich, dass eine Person noch stand.
»Jasmine!«, rief ich und eilte nach vorn.
Meine Schwester hatte sich in einen Umhang mit Pelzsäumen eingemummelt. Ihr Gesicht war bleich und lief über vor Erleichterung, als ich sie kräftig umarmte. Sie drückte mich fester, als ich erwartet hätte, weil wir normalerweise nicht so körperlich miteinander umgingen. »Gott sei Dank bist du wieder zurück«, sagte sie an meiner Schulter. »Jetzt kriegen wir das alles wieder hin.«
Ich konnte mich noch nicht dazu durchringen, ihr zu sagen, dass ich gar nicht wusste, ob ich das Ganze überhaupt hinkriegen konnte . Aber als ich endlich alle davon überzeugt hatte, wieder hineinzugehen, war auch den Gesichtern der Diener anzusehen, wie fest sie damit rechneten, dass es jetzt, wo ich zurück war, wieder bergauf gehen würde. Dieses Vertrauen machte mich nervös. Außerdem fiel mir auf, dass außer den Wachsoldaten, die auf Patrouille gewesen waren, Jasmine die Einzige war, die angemessene hiesige Winterkleidung trug. Alle anderen hatten einfach alles Mögliche übereinandergezogen, um sich vor der Kälte zu schützen, ob es nun zusammenpasste oder nicht. Wahrscheinlich besser als nichts.
Nach einigen weiteren Begrüßungen und vagen Zusicherungen konnten Roland und ich die Menge hinter uns lassen und uns mit Jasmine in einem behaglichen Salon zusammensetzen. Als noch Aeson über dieses Reich geherrscht hatte, war das Land dem Wechsel der Jahreszeiten gefolgt; entsprechend war die Burg so beschaffen, dass sie dem Winter trotzen konnte. Mit meiner Verwandlung des Landes in eine Wüste war man sich hier drin wie in einer Backröhre vorgekommen – kaum auszuhalten. Nun machte sich die Bauweise bezahlt. Der Salon war klein und fensterlos und hielt die Wärme, die das flackernde Kaminfeuer abgab. Es war bestimmt das erste Mal, dass ich einen der Kamine in Gebrauch sah.
Jasmine erklärte, dass sie die anderen schon benachrichtigt hätte, was immer das bedeutete. Dann trug sie den Dienern auf, Speisen
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