Dark Swan: Schattenkind (German Edition)
»Schöne, ähm, Bäume, die ihr hier habt.«
Die Dryade betrachtete uns nachdenklich unter ihren langen Wimpern hervor. »Ihr seid Menschen«, sagte sie mit einer Stimme, die an murmelnde Bäche denken ließ. Sie legte den Kopf zur Seite. »Glaube ich.«
Ich deutete auf Jasmine und mich. »Wir sind zur Hälfte Mensch.«
»Ich bin noch nie einem Menschen begegnet«, sagte die Dryade.
»Wir tun dir nichts. Versprochen. Wie heißt du? Ich bin Eugenie. Das sind Jasmine und Keeli.«
Wieder dachte die Dryade erst einmal darüber nach. »Astakana.« Das war ein großer Name für jemand so Zartes, aber gleichzeitig passte er zu ihr.
»Und jetzt lasst sie einfach«, sagte Keeli leise. »Sie kommt von allein. Oder eben nicht.«
Also lächelten wir noch einmal freundlich und plätscherten dann wieder herum, ohne weiter auf Astakana zu achten. Inzwischen hatte ich auf Reisen in der Anderswelt immer eine kleine Kulturtasche dabei, und sobald ich mich ausreichend sauber geschrubbt hatte, setzte ich mich auf einen Felsen und fing an, meine Haare mit einem Plastikkamm zu entwirren. Ich kam mir fast wie eine Meerjungfrau vor. Und wenn man bedachte, dass ich hier zusammen mit anderen Frauen nackt war, kam ich mir außerdem vor wie in einer Geschichte aus einem Brief an Penthouse .
»Du hast wunderschönes Haar.«
Ich sah auf und stellte überrascht fest, dass die Dryade näher gekommen war. Ich hatte es gar nicht bemerkt. Keeli auch nicht, und obwohl sie fand, dass Astakana ›normalerweise harmlos‹ war, schwamm die Soldatin nun trotzdem dichter an mich heran. Jasmine ebenfalls.
»Ähm, danke«, sagte ich. »Du aber auch.«
»Darf ich dir Zöpfe flechten?«, fragte Astakana.
Ich sah die anderen an. Sie zuckten mit den Achseln. Zöpfe flechten? Mit so etwas hatte ich nicht gerechnet. Das wurde hier ja langsam eine Art Pyjama-Party. Aber die Dryade sah mich so hoffnungsvoll an, dass ich ihr den Kamm hinhielt. »Leg los.«
Sie schüttelte den Kopf und setzte sich hinter mich. »Den kann ich nicht anfassen. Und ich brauche ihn auch nicht.«
Was stimmte. Mit flinken Fingern ordnete und arrangierte sie meine Haare und entwirrte die verhedderten Strähnen ohne jedes Werkzeug. Jasmine und Keeli kamen fasziniert näher.
»Ist ja cool«, sagte Jasmine und reckte den Kopf, um besser zusehen zu können. »Machst du danach meine?«
»Aber ja«, sagte die Dryade sanft.
Astakana massierte mich nicht oder so, aber als sie anfing, mir dünne Zöpfe zu flechten, war das fast genauso wohltuend. Ich seufzte zufrieden und entspannte mich so gut wie seit Monaten nicht, und sie war schon halb fertig, als mir einfiel, dass ich ihr doch ein paar Informationen entlocken wollte.
»Lebst du schon lange im Limettenland?«
»Mein ganzes Leben«, antwortete sie.
»Scheint nett zu sein hier.«
»Ist es, ja.«
»Viel besser als in anderen Landen. Dort leiden sie gerade unter einem schrecklich harten Winter.«
»Ich bin noch nie woanders gewesen. Ich habe diese Lichtung nie verlassen.«
Ich unterdrückte ein Gähnen und war ein bisschen enttäuscht. Wenn sie immer hier in der Gegend geblieben war, konnte sie ja nicht viel über die Welt draußen wissen.
»Weißt du irgendetwas über Varia?«, fragte ich.
»Varia.« Astakana sprach den Namen mit einem leicht verwunderten Unterton aus. »Sie herrscht in einem Nachbarreich über die Glanzvollen.«
»Und über dieses Reich hier auch, nach allem, was ich höre.«
»Vielleicht war es das, was die Glanzvollen gesagt haben. Mein Volk hält sich aus ihren Angelegenheiten heraus.«
Ich sah zu Keeli und Jasmine, weil ich wissen wollte, ob sie vielleicht irgendetwas zu ergänzen hatten, das uns mehr Infos einbrachte. Bis jetzt sah es so aus, als ob Astakana nicht viel zu bieten hatte. Aber die beiden schienen nicht mal zuzuhören. Sie waren total auf Astakanas Flechtkünste fixiert und hatten verträumte, müde Gesichter. Als die Dryade schließlich fertig war, stellte ich fest, dass ich längst getrocknet war. Sie machte mit Jasmine weiter, während ich saubere Sachen suchte. Nachdem ich so lange dermaßen eingepackt gewesen war, war es nett, einmal nur Jeans und T-Shirt anzuziehen. Als ich zu den anderen zurückkehrte, sah ich Astakanas geschickten Händen zu und ertappte mich dabei, genauso fasziniert zu sein wie die anderen.
Jasmines Haare waren länger als meine, darum brauchte Astakana eine Weile, um sie zu frisieren. Als Keeli an die Reihe kam, gab sich die Dryade auch mit ihr eine
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