Dark Thrill - Zwei Romane in einem Band: Sommergeheimnisse/Idylle (German Edition)
schlimmer zurichten konnte als die gewaltigste Waffe der Welt: Tumor. Vielleicht ist er schon so groß wie meine Faust. Ein schreckliches Szenario lief vor seiner geistigen Leinwand ab. Der Arzt sagte: „Tut mir leid Herr Ritter. Aber der Tumor wird ihren Schädel sprengen und ihre Überlebenschance ist gleich Null. Vielleicht noch bis in den Herbst. Mit etwas Glück. Tut mir echt leid für Sie. Sie scheinen ein netter Kerl zu sein. Der nächste, bitte.“
Diese Horrorvorstellung trug nicht gerade dazu bei, zu Dr. Kunze aufzusuchen. Aber Oliver spürte die Angst, die in breiten Wellen von seiner Frau ausging. Die Angst ihn zu verlieren. Ja, er hatte ihr wehgetan, aber sie liebte ihn dennoch. Und sie machte sich Sorgen. Er war es ihr einfach schuldig. Und sollte ein Tumor in seinem Schädel wüten, so war das dann die gerechte Strafe dafür, was er ihr angetan hatte. Obwohl er daran zweifelte, dass Melanie Genugtuung darin finden würde.
„Also gut, Schatz. Du hast recht. Ich werd mir einen Termin geben lassen.“
Noch am selben Tag, rief er Dr. Kunze an. Die Sprechstundenhilfe, sagte ihm er solle am Freitag um fünfzehn Uhr vorbeikommen.
Das waren noch drei lange Tage bis dahin. Tage der Ungewissheit und der Angst.
Aber die nächsten Tage verliefen normal und ereigni slos. Nur ein leichter Anflug von Kopfschmerzen machte sich bemerkbar. Kaum der Rede wert. Oliver vermutete, dass sie von der Sonne herrührten, die ihm auf den Kopf gebrannt hatte, als er mit Kevin am See angeln war.
Oliver war besorgt gewesen sein Sohn fürchte sich von nun an vor ihm, aber es war als hätte der Junge den Wah nsinnsanfall seines Vaters nie miterlebt.
Kinder waren eben zäh.
Kapitel 12
„Wann haben die Schmerzen begonnen, Herr Ritter?“ Am Tag der Skunkattacke konnte sich Oliver kein Bild von dem Gemeindearzt machen. Er hatte ihn nicht mal richtig wahrgenommen. Melanie sagte, dass er nett sei. Und das war er tatsächlich. Roland Kunze war der Gemeindearzt von Kirchbergen. Und das schon seit über dreißig Jahren. Oliver schätzte ihn auf knapp über Fünfzig, obwohl er schon die Sechzig erreicht haben musste. Gute Gene! Er trug eine Buddy-Holly-Memorial-Hornbrille, die aber zweifellos zu seinem Gesicht passte. Sein ehemaliger Arzt, Dr. Fischer, aus Wien war noch nicht einmal Fünfzig und sah schon jenseits Siebzig aus. Hat wohl mit der Anzahl von Patienten zu tun.
„Vor etwa drei Wochen haben die Schmerzen begonnen.“
„Beschreiben Sie bitte die Symptome“, sagte Kunze und setzte sich bequem in seinen Lederstuhl.
„An und für sich gibt es nicht viel zu erzählen. Sie kommen und ... eigentlich sind sie immer da. Vielleicht muss ich mich erst an das Klima und die gesunde Luft hier gewöhnen.“ Oliver lächelte. Es wirkte aufgesetzt.
Er überlegte, ob er Kunze auch von der Stimme erzä hlen sollte, die er ab und zu hörte. Nein, besser nicht. Man wurde schneller für verrückt erklärt und in eine Anstalt gesteckt, als man noch seinen Namen sagen konnte. Die Stimme war eine Begleiterscheinung vom Gehirntumor, dessen war er sich sicher. Andere riechen verkohlten Speck, er hört Stimmen. Na und?
„Sie leben seit ein paar Wochen hier und eigentlich sollten Ihnen Kopfschmerzen keine Probleme bereiten. Erst neulich haben wir eine Auszeichnung wegen unserer guten Luft hier bekommen.“ Anscheinend dürfte der Mann nicht viel Humor haben, dachte Oliver.
„Wie dem auch sei. Haben Sie sonst noch bedenkenswerte Symptome. Übelkeit, Nachtschweiß, Gereiztheit, Sehstörungen und dergleichen?“
„Nichts von alledem. Doch … etwas gereizt bin ich schon in letzter Zeit.“
„Und wie macht sich das bemerkbar?“
Ach wissen Sie Doc, nichts Ungewöhnliches. Ich schreie meinen kleinen Sohn an, schlage meine Frau, versuche sie zu vergewaltigen, betrinke mich sinnlos. Das Übliche eben. Sie kennen das ja. Macht ja jeder mal von uns durch.
„Na Ja, ich werde aggressiv. Normalerweise bin ich die Ruhe in Person. Aber wenn mich die Kopfschmerzen quälen, könnte ich rasend werden.“ Besorgt musterte er Kunzes Gesicht. „Ist es was Ernstes?“
Kunze förderte einen Blick zutage, den Patienten unter keinen Umständen von ihrem Arzt sehen wollen.
Oh ja. Die Sache ist sonnenklar. Sie haben tatsächlich einen Tumor und nicht mehr lange zu leben. Genießen Sie den Sommer, es wird ihr letzter sein. Der nächste, bitte.
„Ich glaube eigentlich nicht, dass es etwas Ernstes ist. Vermutlich tatsächlich nur
Weitere Kostenlose Bücher