DARK TRIUMPH - Die Tochter des Verräters
bevor was? Wann hat mein Herz sich von seiner Bereitwilligkeit abgewandt zu sterben, um d’Albret zu töten?
Vielleicht sobald ich entflohen war, sobald ich nicht länger in seinem Dunstkreis war oder infiziert mit der dunklen Verzweiflung, die mich umschlungen gehalten hat, während ich in seinem Haushalt war. Oder vielleicht hat meine kurze Zeit fern von ihm mich daran erinnert, dass es etwas gibt, wofür es sich zu leben lohnt. Es gibt gute Menschen auf dieser Welt, in diesem Herzogtum. Jene, die beabsichtigen, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um d’Albret aufzuhalten. Während ich innerhalb seiner Mauern lebte, war es nur allzu leicht, das zu vergessen.
Es hat einen Reiz, ein schnelles Pferd zu haben und die Sonne und den Wind im Gesicht. Die seltenen – und daher umso kostbareren – Augenblicke des Gelächters, wenn ein Schachzug gelungen war. Die Aufregung, Mortains Mal zu sehen und zu wissen, dass die Jagd gleich beginnen wird. Der Ausdruck in jemandes Augen, wenn er dich wahrhaft sieht – nicht nur dein Gesicht und dein Haar, sondern die bloße Essenz deiner Seele.
Es ist eine beängstigende und unbehagliche Erkenntnis, dass die Bestie zum Teil hinter diesem neu gefundenen Willen zu leben steckt. Weil der Ritter mich daran erinnert hat, was das Leben zu bieten hat. Er lebt das Leben so freudig – es ist unmöglich, diese Freude nicht für sich selbst zu wollen.
Meine Finger gleiten zu dem Ring, den ich an der rechten Hand trage, meiner letzten Zuflucht, sollte meine Situation jemals unerträglich werden.
Plötzlich kann ich kaum noch Atem holen und mein Kopf fühlt sich hohl an. Ganz gleich, wie sehr ich mir wünsche, es möge anders sein, trotz all unserer Bemühungen, trotz sämtlicher Saboteure, die ich aufgestöbert habe, fürchte ich in meinem Herzen immer noch, das d’Albret am Ende siegen wird. Dass er die Stadt erobern und in die Knie zwingen wird.
Und alle, die darin wohnen.
Oh, sie werden kämpfen. Alle Edelleute und Ratgeber und Landsknechte Annes werden ihr Bestes tun, um sie zu beschützen. Und sie werden bei dem Versuch sterben, denn d’Albrets Fähigkeit, eine Stadt mit dem Tod zu überziehen, ist unvergleichlich.
Ich kann die Szenerie ganz deutlich vor meinem inneren Auge sich entfalten sehen.
Er wird sich persönlich seinen Weg zu Anne erkämpfen, sein langes Schwert wird sich durch ihre Garde schneiden wie durch einen weichen Käse. Es ist gut möglich, dass meine Brüder an seiner Seite sein und einmal mehr versuchen werden, seine Gunst zu erringen.
Ismae und Duval werden die Herzogin mit ihrem Leben beschützen – und das ist genau das, was es sie kosten wird. Sobald sie damit bezahlt haben, wird d’Albret seine Rachsucht auf Anne richten.
Er wird ihr vielleicht zu Anfang nicht wehtun. Höchstwahrscheinlich wird er Isabeau als Geisel nehmen, weil er nur allzu gut weiß, dass sie Annes Herz besitzt.
Ich starre auf das kleine Bündel auf meinem Bett. Was, wenn ich in der Lage wäre, ihn aufzuhalten, es aber nicht täte? Was wird meine Freiheit kosten – in Blut gemessen? Wird nicht eben das, wofür ich zu leben hoffe, verloren sein?
In diesem Moment weiß ich, dass ich tun muss, was mir befohlen wurde. Nicht für die Äbtissin oder das Kloster und auch nicht für Mortain.
Sondern für jene, die ich zu lieben gelernt habe.
Es ist schon spät, als ich mein Gemach verlasse, um nach Ismae zu suchen, aber es herrscht immer noch reges Treiben, da der Palast sich auf den Aufbruch der Bestie und die bevorstehende Belagerung vorbereitet. Ismae ist nicht in ihrem Schlafgemach, also gehe ich zu Duvals Räumen innerhalb des Palastes. Es ist der einzige Ort, der mir einfällt, um nach ihr Ausschau zu halten, abgesehen von den Gemächern der Äbtissin oder der Herzogin. Es scheint, ich habe Glück, denn als ich seine Tür erreiche, spüre ich zwei Pulse dahinter schlagen. Ich klopfe leise an.
Duval öffnet die Tür. Ein kurzes Aufblitzen von Überraschung gleitet über seine Züge, als er sieht, dass ich es bin. »Gnädiges Fräulein?«
Ich schenke ihm ein schiefes Lächeln. »Ich bin nur hergekommen, weil ich nach Ismae suche«, eröffne ich ihm.
Es ist schwer, sich in diesem Halbdunkel sicher zu sein, aber ich habe den Eindruck, dass sich eine schwache Röte auf seinen Wangen ausbreitet. Man könnte meinen, dass er und Ismae gerade mal dreizehn Jahre alt sind und zum ersten Mal für jemand schwärmen. »Sie ist hier.« Er öffnet die Tür, damit ich eintreten kann,
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