DARK TRIUMPH - Die Tochter des Verräters
eingeschleust?«
Mein Herz hämmert schmerzhaft. Ist er dahintergekommen, wer ich bin? »Warum wollt Ihr das wissen?«, frage ich ausweichend.
Er schaut weg und zupft an dem Verband an seinem Arm. »Ich habe mich gefragt, ob Ihr vielleicht dort gewesen seid, als Alyse noch lebte.«
Ich bin verloren. Seine Worte durchdringen mein Herz und unterspülen meine letzte Verteidigung gegen ihn. Ich lege den Rindenmulchwickel auf sein Bein und starre darauf, als sei es das Faszinierendste auf der Welt.
»Ihr wusstet von d’Albrets anderen Ehefrauen«, beeilt er sich fortzufahren. »Ich dachte, dass Ihr vielleicht auch Alyse gekannt habt.«
Halt dich so nah wie möglich an die Wahrheit – das ist es, was wir im Kloster über das Spinnen von Lügen lernen. »Ja«, antworte ich und hoffe, dass man mir mein Widerstreben nicht anhört. »Ich kannte sie, aber nicht gut.«
»Erzählt mir von ihr.« Er sieht mich eindringlich an, als könne er die Antworten, nach denen er sucht, von meiner Haut pflücken.
Ich schaue weg und lasse den Blick über den Raum gleiten, das Feuer, über alles, bis auf sein narbenbedecktes Gesicht. Was soll ich ihm über Alyse erzählen? Dass sie abgemagert ist vor Nervosität und Angst? Dass sich die gelassene, heitere Frau in eine verwandelt hat, die zusammenzuckte, wenn sie berührt wurde, und die sich vor lauten Geräuschen erschreckt hat? Dass Julian und Pierre sie deswegen grausam aufgezogen und jedes laute Geräusch gemacht haben, das ihnen einfallen wollte, und dass sie sich in dunklen, leeren Fluren von hinten an sie angeschlichen haben? Dass sie in den letzten Monaten vor ihrem Tod wenig gegessen hat?
Oder soll ich ihm von den wenigen heimlichen, glücklichen Momenten erzählen, die sie erlebt hat? Von unserem Ausflug, um Brombeeren zu pflücken, von der aromatischen Süße der Früchte, wenn sie in unserem Mund zerplatzten, sodass uns der Saft übers Kinn rann und uns zum Lachen brachte? Oder wie die Elritzen an unseren Zehen knabberten, als wir die Füße in den Bach hängten?
»Sie war freundlich und fromm«, sage ich schließlich. »Stets hat sie daran gedacht, Gott und seine Heiligen zu ehren. Glockenblumen waren ihre Lieblingsblumen und in einem Frühling war eine ganze Wiese voll von ihnen hinter der Festung. Wenn sie Honig aß, bekam sie eine verstopfte Nase.«
Die Bestie lächelt, herzzerreißend sehnsüchtig. »Daran erinnere ich mich«, murmelt er leise.
Natürlich weiß er das. Ich zermartere mir das Hirn, damit mir etwas einfällt, das ihn trösten könnte. »Sie hatte einen starken Willen und sie hat viel gelacht.« Zumindest zu Anfang; das war es, was mich dazu gebracht hat, meine Zurückhaltung aufzugeben und mich mit ihr anzufreunden, trotz all meiner Gelübde, nie wieder die Nähe einer von d’Albrets Ehefrauen zu suchen.
Ein tiefes Schweigen breitet sich im Raum aus, genährt von unseren jeweiligen Erinnerungen.
»Ich bin damals aufgebrochen, um sie zu holen.«
»Was?« Ich bin überzeugt, dass ich nicht richtig gehört habe.
»Ich bin aufgebrochen, um sie zu holen.« Die Bestie wiederholt die Worte beiläufig, als sei es das Natürlichste auf der Welt, eine Ehefrau zurückzuholen.
Aber das ist es nicht. Denn trotz all der Ehefrauen, die d’Albret missbraucht hat, und all der Vasallen und Unschuldigen, denen er Unrecht getan hat, ist niemand – niemand – je vorgetreten, um für irgendeinen von ihnen zu sprechen oder um ihretwillen Gerechtigkeit zu verlangen.
Diese Enthüllung stellt meine Welt so vollkommen auf den Kopf, dass ich eine geschlagene Minute brauche, um meine Stimme wiederzufinden. Tausend Fragen füllen meinen Kopf, aber keine von ihnen beinhaltet irgendetwas, das eine Tochter Mortains unbedingt würde erfahren wollen. »Was ist passiert?«, frage ich schließlich, darauf bedacht, meine Stimme neutral zu halten und den Blick auf den neuen Verband zu richten, den ich vorbereite.
»Als meine Briefe an sie unbeantwortet blieben, wusste ich, dass etwas nicht stimmte, daher habe ich mir Urlaub genommen und bin abgereist, um nach ihr zu sehen. Als ich in Tonquédec ankam, wurde mir der Zutritt verweigert. Und als ich dennoch beschloss dazubleiben, hat mich eine Gruppe von zwölf bewaffneten Soldaten ermutigt, wieder aufzubrechen.« Seine Hand wandert zu der Narbe, die sich über die ganze linke Seite seines Gesichts zieht. »Sie wollten mich ein wenig verschönern.«
»Aber sie haben Euch am Leben gelassen?«
Die Bestie wirft mir einen
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