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Dark Village - Niemand ist ohne Schuld

Dark Village - Niemand ist ohne Schuld

Titel: Dark Village - Niemand ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjetil Johnsen
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Nicholas will sich abwenden und auch gehen, aber Katie hält ihn zurück.
    „Warte“, sagt sie leise. „Wir müssen noch ein bisschen hier stehen.“
    „Warum?“
    „Das macht man so. Die Familie bleibt noch am Grab.“
    „Woher weißt du das?“
    „Nicholas. Hör auf.“ Sie greift nach seiner Hand und hält sie fest. „Wir bleiben stehen.“
    So machen sie es. Nicholas zählt im Stillen: eins, zwei, drei, vier. Er kommt bis zweiunddreißig, dann lächelt Katie ihn an und sagt: „Das reicht. Jetzt gehen wir.“
    Sie drehen sich um und verlassen das Grab Hand in Hand.
    Die Frau, die in der nächsten Zeit auf sie aufpassen und Mama für sie wiederfinden soll, steht im Schatten der Kirche. Sie kommt ihnen ein paar Schritte entgegen und empfängt sie auf dem Kiesweg. Sie sagt nichts, schenkt ihnen nur nacheinander einen Das-habt-ihr-gut-gemacht-Blick.
    „Wir sind so weit“, sagt Katie. Und ihre Stimme klingt kühl und gefühllos. Die Frau sieht sie mit großen Augen an und will schon etwas sagen. Aber sie hält sich zurück und lächelt, anstatt sie zurechtzuweisen: Ihr armen Kinder habt so viel durchgemacht.
    „Ja, dann gehen wir mal“, murmelt sie.
    Der Kies knirscht unter ihren Füßen. Niemand spricht ein Wort. Katie lässt Nicholas’ Hand nicht los. Sie laufen den Kirchberg hinunter. Überall Grabsteine. Die Sonne steht so hoch, dass sie keine Schatten wirft .
    Endlich haben sie das Tor erreicht. Es steht offen. Sie steuern den Parkplatz an und bleiben am Auto der Frau stehen. Sie kramt in ihrer Tasche nach dem Schlüssel.
    „Haben Sie was gehört?“, fragt Katie.
    „Hm?“
    „Haben Sie was von Mama gehört?“
    „Na ja.“ Die Frau starrt in ihre Tasche. Sie sucht nicht mehr, sie hält die Tasche einfach nur offen vor sich und sieht hinein. Wie ein Strauß, kurz bevor er den Kopf in den Sand steckt.
    „Wir sind dran“, sagte sie. „Wir sind auf der Suche.“
    „Aber Sie haben nicht mit ihr gesprochen?“
    „Nein. Ich nicht. Also, wir haben nicht mit ihr gesprochen. Aber ich glaube, sie ist informiert.“
    „Sie weiß, was passiert ist?“
    „Ja, davon gehe ich aus.“ Die Frau hat den Schlüssel gefunden, und jetzt drückt sie auf den Knopf, um die Verriegelung zu lösen. Biip.
    „Kommt Mama und holt uns ab?“, fragt Nicholas.
    Die Frau öffnet die Fahrertür. „Jetzt steigt erst mal ein.“
    Nicholas glaubt, dass sie ihn nicht gehört hat, und Katie guckt in eine andere Richtung und macht keine Anstalten, mit ihm zu reden, also wiederholt er seine Frage, als sie alle im Auto sitzen. Die Frau vorn, Katie und er auf dem Rücksitz.
    „Kommt sie uns abholen?“
    Die Frau parkt aus. Sie guckt unzählige Male nach rechts und links, dann setzt sie den Blinker und biegt auf die Hauptstraße.
    Sie antwortet nicht.

Dienstag/Nora
    When you dream
There’s a chance you’ll find
A little laughter
Or happy ever aft er …
    You Are the Music In Me , High School Musical 2

1
    Es klingelte, als sie durchs Tor liefen.
    Nora guckte Nick an und lachte. „Gerade noch rechtzeitig!“
    „Mmm.“
    Er lächelte zurück. Er sah so unglaublich gut aus, fand Nora. Wahnsinn: diese weißen Zähne, die funkelnden Augen und die langen, dunklen Strähnen, die ihm in die Stirn fielen.
    Aber er war trotzdem nicht wie sonst. Sie hatte den Eindruck, dass er an ihr vorbeisah. Der Funkenregen in seinen Augen wich einem gläsernen, leeren Ausdruck. Sein Blick war ziellos.
    „Was ist?“, fragte sie.
    Sie gingen die Treppe zum Haupteingang hinauf. Nick antwortete nicht. Offenbar hatte er sie nicht gehört.
    Für den Bruchteil einer Sekunde bekam sie Angst. Zack und schon war die altbekannte Hilflosigkeit wieder da. Die Angst, von der sie weiche Knie bekam und die in ihrer Brust und im Bauch ein unbestimmtes Gefühl der Leere hinterließ.
    Hatte er genug von ihr? War er darum so abwesend? War sie langweilig und gewöhnlich, nicht gut genug für ihn, genau wie sie es befürchtet hatte? War sie doch zu hässlich?
    Nein . So war er nicht. Er nicht! Er dachte nicht so. Nicht Nick, nicht ihr Nick.
    Sie versuchte, ihre Stimme leicht und unbeschwert klingen zu lassen, und kitzelte ihn mit der Hand, die sie um seine Taille gelegt hatte. „Nick. Ist irgendwas? Hast du Kopfweh?“
    Er sah sie an. Er wirkte völlig überrumpelt und ein bisschen ertappt.
    „Nein, nein“, sagte er. „Es ist nichts.“
    Aber irgendwas war doch. Irgendwas stimmte nicht. Denn mit einem Mal blieb er stehen und rührte sich nicht mehr. Die Leute

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