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Dark Village - Niemand ist ohne Schuld

Dark Village - Niemand ist ohne Schuld

Titel: Dark Village - Niemand ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjetil Johnsen
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immer noch ruhig. Er macht noch einen Schritt ins Wohnzimmer. Die Neugier treibt ihn voran.
    Zwei oder drei Schritte später weiß er, dass ihn nichts mehr aufhalten kann. Er hat keine Angst.
    Seine Füße bewegen sich von ganz allein. Er hält den Blick gesenkt und er weiß: Wenn er jetzt die Hand ausstreckt, kann er das Ding anfassen.
    Langsam schaut er auf. Es ist aus Stoff. Das ist sein erster Gedanke. Es ist Stoff, man kann es anfassen und die Oberfläche befühlen. Er streckt die Hand aus. Vielleicht wird es ja besser, wenn er es berührt, wenn er spürt, dass es irgendwas ganz Normales ist. Einfach Stoff.
    Von Weitem hört er ein Geräusch. Die Haustür geht auf und wieder zu. Er weiß, dass Katie nach Hause gekommen ist, aber er sagt nichts. Er ruft nicht nach ihr, er dreht sich nicht um und rennt zu ihr. Er kann nicht.
    Er ist wie gebannt von diesem Ding. Tief im Inneren weiß er, was es ist. Er weiß es schon eine Weile, aber er begreift nicht, was es zu bedeuten hat.
    Er runzelt die Stirn, presst die Lippen aufeinander und streckt sich noch ein bisschen weiter, die letzten Zentimeter.
    „Nicholas.“
    Er spürt den Stoff unter den Fingerspitzen. Und genau in diesem Moment nimmt er auch den gewohnten Geruch wahr. Als hätte der nur darauf gewartet, dass seine Finger ihn befreien. Der Geruch hat auf ihn gewartet – im Hinterhalt gelegen – und jetzt umgibt er ihn. Er hüllt ihn ein und irgendwo in seinem Körper fühlt er einen schrecklichen Druck.
    Groß und schmerzvoll und gleich wird er ihn überwältigen und wie eine Coladose zerdrücken. Crash!
    „Nicholas. Nicht!“
    Er hört die Panik in ihrer Stimme und bekommt Angst.
    Er schubst das Ding weg. Er schubst, so fest er kann, und schreit dabei: „Geh weg!“
    Und das Ding bewegt sich, erwacht zum Leben und schwingt schwer vor ihm hin und her und es macht: Nnnn … nnnn …
    Ihre Arme umfangen ihn. Sie ist viel größer als er und sie drückt sein Gesicht an ihren Bauch. Nicholas, guck nicht hin, Nicholas. Aber natürlich guckt er hin, erst recht, wenn sie es verbietet.
    Er macht sich los, und erst in diesem Augenblick ist sein Gehirn bereit, die Puzzleteile zusammenzusetzen und die Wahrheit zu erkennen.
    Das stumpfe Knirschen kommt von einem dicken Seil, das am Dachbalken hängt. Und der Schatten – der sich so seltsam bewegt und langsam gedreht hat – stammt von einem Menschen. Dort hängt ein Mensch mit einem Seil um den Hals.
    Katie flüstert: „Scheiße. Verdammte Scheiße. Hoffentlich landet er in der Hölle.“
    Sie zieht Nicholas an sich und diesmal wehrt er sich nicht. Jetzt ist es schön, dass sie ihn festhält. Ihr Geruch vertreibt den anderen, stechenden, der in seiner Nase brennt. Sie darf mich nie, niemals verlassen, denkt er.
    Nicholas ist vier Jahre alt. Seine Schwester, Katie, ist zehn.
    Vor ihnen hängt ihr Vater.

5
    „Ich weigere mich“, sagte Wolff. Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück und verschränkte die Arme.
    „Sie weigern sich?“ Der Ermittlungsleiter seufzte. „Wogegen denn? Haben Sie es sich anders überlegt? Waren Sie es doch nicht?“
    „Nein. Ja. Doch. Scheiße. Das meine ich nicht.“
    „Sie sagten …“
    „Hören Sie auf, mir das Wort im Mund umzudrehen.“
    „Ich habe Ihnen nicht das Wort im Mund …“
    „Ich weigere mich, noch irgendetwas zu sagen. Das meine ich. Ich verweigere die Aussage.“
    „Aha.“
    „Ja.“
    „Sie verweigern die Aussage? Haben Sie keine Lust mehr?“
    „Ja. Ich verweigere die Aussage.“
    Der Ermittlungsleiter gähnte demonstrativ. „So gesehen.“
    „Ich habe das Recht dazu. Oder nicht?“, sagte Wolff.
    Er sah den Ermittlungsleiter an, der seinen Blick desinteressiert erwiderte. Er sagte nichts. Wolff schaute zu Kruse hinüber, der als stummer Beobachter mit dem Block auf den Knien und dem Stift in der Hand ein Stück weiter hinten saß.
    Der Ermittlungsleiter trank einen Schluck Kaffee und schmatzte leise.
    Wolff wurde unsicher. „Ich kann doch die Aussage verweigern! Ich habe Rechte.“
    „Selbstverständlich.“ Der Ermittlungsleiter stellte die Tasse auf dem Tisch ab. „Sie haben unendlich viele Rechte.“
    „Dann mache ich hiermit davon Gebrauch. Ich verweigere die Aussage.“
    „Soso. Na schön.“
    „Schön?“ Wolff stand der Mund offen.
    „Ja, es ist ohnehin egal“, sagte der Ermittlungsleiter. „Es spielt keine Rolle, ob Sie noch was aussagen.“ Er lachte kurz auf. „Du lieber Himmel, Sie lügen ja sowieso.“
    „Ich lüge nicht!“
    „Doktor

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