DARKNET
andere Seite des Highways und zu einem Travel-Center, wo sich Lkws und Personenwagen um Tankstellen und die allgegenwärtigen Fast-Food-Restaurants scharten.
Hier, mitten auf einem Parkplatz, endete die Linie in einer Aura aus blauem Licht, die diesmal über einem menschlichen Wesen schwebte – einer Frau neben einem weißen Van, der vor einem Conoco-Markt parkte.
Das entsprach nicht gerade seinen Erwartungen, obwohl er ja gar keine konkrete Vorstellung von seinem Ziel gehabt hatte. Sebeck fuhr von der anderen Seite in eine Parklücke dem Van gegenüber und musterte die Frau durch die bereits wieder mit Insekten gesprenkelte Windschutzscheibe.
Es war eine schlanke Indianerin in den Fünfzigern mit einem langen grauen Zopf. Sie trug Jeans, Cowboystiefel und ein beiges Button-down-Hemd mit irgendeinem Logo auf der Brusttasche. Sie hatte eine schicke, schmale HUD -Brille auf, durch die sie Sebeck direkt ansah. Ihr D-Raum-Callout wies sie als
Riley
aus – eine Level-14-Schamanin. Rileys Rufwert betrug fünf von fünf Sternen auf einer Basis von neunhundertdrei – wenn Sebeck Price’ Gerede im Lauf der Wochen richtig verstanden hatte, bedeutete das, dass neunhundertunddrei Darknet-Mitglieder sie im Schnitt mit fünf von fünf Sternen bewertet hatten. Ihr Ansehen war offenbar sehr hoch – worauf es auch immer beruhen mochte.
Sebeck stellte den Motor ab und warf einen Blick auf den schlafenden Price auf dem Beifahrersitz. Er zog die Schlüssel aus dem Zündschloss und öffnete leise die Fahrertür. Er war nicht besonders scharf darauf, seinen Aufpasser bei diesem Gespräch dabeizuhaben, also legte er die Schlüssel auf den Sitz, machte die Wagentür behutsam hinter sich zu und vergewisserte sich, dass Price immer noch schlief.
Dann ging Sebeck auf Riley zu, die ihn mit einer gewissen Neugier ansah, da er seinen Begleiter zurückgelassen hatte. Es war bewölkt und ziemlich kühl. Sebeck machte im Gehen seine Jacke zu. Ringsherum herrschte ein reges Kommen und Gehen von Raststättenbesuchern.
Er musterte den Van, neben dem die Frau stand. Der Wagen war neu und trug ein Logo «Enchanted Mesa Wellnesshotel» – dasselbe Logo wie auf ihrem Hemd.
Als er sie erreichte, erklang eine Tonfolge, und der letzte Rest Thread verschwand. Über ihrem Kopf war jetzt nur noch das wirbelnde sanftblaue Licht einer D-Raum-Aura.
Sebeck wusste nicht, was er von alldem halten sollte. Er sagte in neutralem Ton: «Ich soll das Wolkentor suchen. Können Sie mir irgendetwas darüber sagen?»
Sie streckte ihm die Hand hin. «Wie wär’s erst mal mit hallo?»
Sebeck holte tief Luft und drückte ihr kurz die Hand. «Hallo. Sie sind Riley.»
«Schamanin der Two-Rivers-Fraktion. Und Sie sind Unnamed_1.»
«Ja, das trifft es wohl ziemlich gut. Ich hoffe, Sie können mir ein paar Antworten geben.»
«Was für Antworten?»
«Wie ich meine Quest erledigen kann, zum Beispiel? Wie ich dem Daemon gegenüber die Freiheit der Menschen rechtfertigen soll?»
Sie runzelte die Stirn. «Das ist für mich nicht sichtbar.»
Er rieb sich frustriert die Augen. «Warum muss gerade ich durch die halbe Welt irren, um diese verdammte Sache zu erledigen?»
«Das ist die Reise des Helden.»
Er sah sie aus schmalen Augenschlitzen an.
«Vergessen Sie nicht, Sobol war Spiele-Entwickler. Archetypisch muss der Held oder die Heldin in der Wildnis umherirren, um das Wissen zu erlangen, das man braucht, um eine bestimmte Quest zu erfüllen. Vielleicht ist es ja das, was Sie gerade tun.»
«Und ich soll der Held sein?»
«Es ist Ihr Leben. Darin sollten Sie der Held sein. Falls es Sie tröstet, ich bin auch die Heldin meines Lebens.»
«Riley, warum hat mich der Thread zu Ihnen geführt?»
«Warum zu
mir
? Ich weiß nicht. Ich nehme an, es liegt an meinem Fähigkeiten-Set und meiner geographischen Nähe zu Ihnen, als irgendeine Systemschwelle erreicht war.»
Sebeck nickte. «Gestern habe ich mit Matthew Sobol gesprochen. Nach unserem Treffen hat er mir diesen Thread gegeben.»
«Und mir ist gestern im Darknet ein Avatar erschienen. Eine wunderschöne Frau, wie ein Engel mit kupferrotem Haar und alabasterweißer Haut – ganz von Licht umstrahlt. Sie sagte, dass Sie kommen würden.»
Sebeck strich sich über den kahlen Schädel. Er dachte an Cheryl Lanthrop, die Frau, die ihn verraten hatte.
Kupferrotes Haar und helle Haut
. Sie hatte für Sobol gearbeitet und mit dem Leben dafür bezahlt. «Das ist doch Wahnsinn.»
«Der Avatar hat mir gesagt, Sie
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