DARKNET
ich habe einmal Menü zwei und einmal Menü neun. Was macht das?»
Der Kassierer blickte wieder auf sein Display. «Vierzehn neununddreißig.»
«Jetzt starren Sie doch mal nicht auf den Schirm, sondern
denken
Sie einen Moment nach.» Er zeigte auf die Angebotstafel an der Wand. «Wie können einmal Menü zwei für drei neunundneunzig und einmal Menü neun für fünf neunundneunzig zusammen vierzehn neununddreißig kosten?»
«Sir, ich sage Ihnen ja nur, was es macht. Wenn Sie nicht beides wollen –»
«Natürlich will ich beides. Und Sie werden mich nicht los, bis Sie endlich anfangen, selbst mal nachzurechnen.»
«Ich will Sie nicht loswerden, ich sage ja nur, es macht vierzehn neununddreißig.» Er drehte das Display so, dass Sebeck es sehen konnte.
«Es ist mir egal, was da steht – Sie müssen was Falsches eingetippt haben.»
«Sie vergessen die Mehrwertsteuer, Sir.»
«Nein, ich vergesse die Mehrwertsteuer nicht. Die Mehrwertsteuer steht
da
.» Er zeigte darauf. «Jetzt benutzen Sie doch mal kurz Ihren eigenen Kopf und denken Sie nach. Vergessen Sie die Maschine.»
«Aber –»
«Drei neunundneunzig plus fünf neunundneunzig macht wie viel?»
Der Junge starrte wieder auf das Display.
«Hören Sie doch mal zu! Schauen Sie nicht auf den Schirm. Es ist ganz leicht. Einfach aufrunden auf vier Dollar plus sechs Dollar – macht zehn Dollar – und dann zwei Cent abziehen – macht neun achtundneunzig. Stimmt’s?»
«Sie vergessen die Mehrwertsteuer.»
«Junge, wie viel sind fünf Prozent Mehrwertsteuer auf zehn Dollar?»
«Sir –»
«Kommen Sie, rechnen Sie’s aus.»
«Ich –»
«Rechnen Sie! Los, verdammt nochmal!» Seine laute Stimme hallte von den Kachelwänden des Schnellrestaurants wider.
Gespräche im Raum brachen ab, und Leute drehten sich nach dem um, was wie ein Streit klang.
«Wie viel sind fünf Prozent Mehrwertsteuer auf zehn Dollar?»
Der Junge begann auf dem Kassencomputer herumzutippen. «Ich muss einen Manager rufen, um die Sache zu klären.»
«Junge, wollen Sie das Denken ganz irgendwelchen Maschinen überlassen? Wollen Sie das wirklich?»
Ein kräftig gebauter Assistant Manager mit Halbglatze kam aus dem Durchgang zur Küche. Auf seinem Namensschild stand «Howard». «Gibt’s ein Problem?»
«Ja, Howard. Die Kasse zeigt eine falsche Summe, und ich versuche den Jungen dazu zu bringen, selbst nachzurechnen.»
«Was hatten Sie denn bestellt?»
«Einmal Menü zwei und einmal Menü neun.»
Der Manager blickte auf das Display. «Okay, macht vierzehn neununddreißig.»
Es war Howards Glück, dass Sebeck keinen Taser mehr bei sich trug.
Mit einer Tragetüte und zwei Getränkedosen ging Sebeck zum Auto zurück. Laney Price war noch beim Tanken. Die riesige Interstate-Tankstelle hatte mindestens zwanzig hellerleuchtete Zapfinseln. Auf dem Highway zischte der Verkehr vorbei.
Price schrubbte mit einem Fensterwischer tote Insekten von der Windschutzscheibe des Chrysler 300, den ihnen der Daemon am Vortag hatte zukommen lassen. Offenbar bemerkte er Sebecks Gesichtsausdruck. «Was ist los?»
«Die Menschheit ist dem Untergang geweiht, das ist los.»
«Ach.» Price säuberte weiter die Scheibe.
Sebeck legte das Essen und die Getränke ins Auto und übernahm das Tanken. «Sobol hat es gewusst, stimmt’s?»
«Was?»
«Dass die Leute alles tun, was ihnen ein Computerbildschirm sagt. Bei Gott, man könnte den nächsten Massenmord über eine verdammte Fast-Food-Kasse steuern.» Er mimte das Zielen mit einer Pistole. «Da steht, ich soll Sie töten, Sir.»
«Wie mir scheint, hatten wir wieder mal ein unerfreuliches Einkaufserlebnis.»
«Manchmal vermisse ich mein Polizeiabzeichen, Laney. Ich wollte, ich hätte es noch.»
«Wozu? Um faule Burgerverkäufer einzuschüchtern? Sie haben jetzt was viel Besseres – ein Quest-Icon. Sie sind jetzt so was wie ein Ritter.»
«Steigen Sie ein.»
Um ein Haar hätte Sebeck die Abzweigung verpasst. Sie waren auf der Interstate 40 West, etwa eine Stunde vor Albuquerque, als sein neuer Thread plötzlich nach rechts auf die INDIAN SERVICE ROUTE 22 deutete. Sebeck, der gerade aus einer Wasserflasche trank, zog hektisch von der Überholspur auf die Abfahrt hinüber. Der Wagen schlingerte kurz vor einem Betonpfeiler über den durchgezogenen weißen Streifen.
Er sah zu dem schlafenden Laney Price hinüber, der sich kurz regte, dann aber wieder abtauchte. Sebeck folgte dem leuchtend blauen Thread über eine Brücke auf die
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