DARKNET

Hat das mit der Musik noch ein bisschen Zeit?»
    Der Major hörte nicht zu. Seine Kampfinstinkte waren angesprungen. Die Stimmen der Firmenchefs am Tisch rückten in die Ferne, und seine Wahrnehmung richtete sich ganz auf seine unmittelbare Umgebung. Auf die Deutung jedes kleinsten Geräuschs. Er war wieder in El Salvador. Horchte nach dem Knacken eines Zweigs – oder der unnatürlichen Stille der Fauna, die einen hastig eingerichteten Hinterhalt signalisierte. Er hörte die Diskussion der Männer nur noch im Hintergrund. Die Schritte eines rumänischen Sicherheitsdienstleisters, der zum Getränketischchen an der Glastür mit den zugezogenen Vorhängen ging, um sich Kaffee nachzuschenken, lenkten seine Aufmerksamkeit dorthin. Die schweren Vorhänge, vor denen der Mann stand, bewegten sich in der Klimaanlagenluft.
    Da kam auf einmal vom Hof draußen ein unerklärliches Geräusch, wie vom Reißverschluss einer Zeltklappe, der immer weiter aufgezogen und immer lauter wurde.
    Die nächsten Herzschläge lang fühlte er sich, als arbeitete er sich durch Morast – sein Denken war schon voraus, schrie seinen Körper an, gefälligst hinterherzukommen. Er stemmte sich vom Sofa hoch und rannte auf den Mann vor den Vorhängen zu.
    Der Mann wollte sich gerade umdrehen, weil er wohl Gefahr witterte, aber der Major schnellte hoch und landete einen Sprungtritt, der den Rumänen mit dem Kopf voran durch die dicken Vorhänge und die zersplitternde Glastür schleuderte.
    In dem Moment barst die Vordertür des Bungalows auf, weil ein motorradgroßes Etwas mit achtzig Meilen hindurchkrachte. Es flog und schlitterte in einem Hagel von Metall- und Plastikstücken durchs Zimmer, fegte den Tisch um und die dort versammelten Männer von den Beinen.
    Der Major blickte sich nicht um, als plötzlich der ganze Bungalow vom ohrenbetäubenden Donnern starker Motorradmotoren erbebte. Hinter sich hörte er Schreie und Motordröhnen, so laut, dass es physisch schmerzte. Er stürzte zu der zerschmetterten Glastür hinaus und sah den geschockten, blutüberströmten Rumänen, wie er inmitten von Glasscherben und zersplittertem Holz auf die Beine zu kommen versuchte. Der Major trat dem Mann auf die Brust, presste ihn auf die Steinplatten des Patios.
    Der Mann versuchte sich unter dem Fuß des Majors hervorzuwinden, um Luft zu bekommen. Starke Motorradmotoren donnerten über den Rasen heran, und grüne Laserstrahlen durchschnitten das Dunkel.
    Der Major grub seinen Absatz in die Kehle des Rumänen, der sich verzweifelt in den Hals krallte. Der Major bückte sich, griff unter das Jackett des Mannes und ertastete ein Polyurethanholster. Er zerrte blind daran herum und bekam die Pistole frei. Keine Zeit mehr. Die Motoren waren schon nah.
    Der Major stürzte durch die Büsche, hielt sich dicht an der seitlichen Hauswand und schaffte es gerade noch um die Ecke, ehe die Razorbacks da waren. Er erfühlte im Dunkeln die Konturen der soeben erbeuteten Pistole. Zwei Sicherungshebel. Vermutlich eine Sig Sauer. Er wog sie in der Hand. Eine 45er – dem Gewicht nach geladen. Er lud durch, während die Motoren hinter ihm aufdrehten. Er hörte grässliche Schreie und das Klirren von Stahl.
    Der Major brach blind durch die Büsche, jetzt in Deckung vor den Motoren und den Schreien. Äste peitschten ihm ins Gesicht, dann war er draußen, auf einem Golfcart-Weg, gesäumt von sanften Außenlampen und dichtem tropischem Gesträuch. Aus dem Augenwinkel registrierte er eine Bewegung: Männer in schwarzer Kampfmontur, die in seine Richtung zeigten. Obwohl er keine Schüsse hörte, pfiffen Projektile an seinem Kopf vorbei, als er in das Gesträuch auf der anderen Seite des Wegs eintauchte. Er feuerte zwei Schüsse ab, damit sie sich hinwarfen und er etwas Zeit gewann. Von den Rasenflächen und Zufahrten jenseits des dekorativen Dschungels drang das Geräusch von Motorradmotoren zu ihm herüber.
    Der Major stieß gegen ein Geländer aus roh zugehauenen Holzbalken, kletterte mit präzisen Handgriffen darüber und landete auf einem Fußgängerweg zwischen den Resort-Gebäuden. Der Weg war hell erleuchtet. Er blickte nach rechts und links und sah in den Fluren der Gebäude Feueralarm-Blinklichter blinken. Plötzlich hörte er auch das akustische Warnzeichen. Jemand hatte Feueralarm ausgelöst. Gut.
    Er robbte über die Steinplatten und spähte den Zwischenraum zwischen dem Geländer und der jenseitigen Hauswand entlang. Er sah weiteres Gebüsch und einen kleinen Parkplatz hinter