Darkover 02 - Herrin der Stuerme
sich wieder über sie und zwang seinen ausgestoßenen Atem in ihren Mund. Erneut spürte er, wie sie sich regte. Aber der automatische Atmungsmechanismus Cassandras war verschwunden. Er wußte nicht, wie lange sie ohne ihn überleben konnte, selbst mit dem Sauerstoff der reflexhaften Atemzüge, die er sie alle zwei oder drei Schritte zu nehmen zwang. Er mußte sich beeilen, bevor das Licht verschwand. Allart kämpfte sich mit ihr durch die zunehmende Dunkelheit und mußte alle zwei oder drei Schritte anhalten, um ihr wieder Leben einzuatmen. Ihr Herz schlug. Wenn sie doch nur Luft holte … Wenn er sie doch nur weit genug aus der Ohnmacht holen konnte, damit ihr klar wurde, daß sie atmen mußte …
Die letzten Schritte waren wie ein Alptraum. Cassandra war eine schlanke, zarte Frau, aber Allart war auch kein übermäßig großer Mann. Als der Nebel niedriger wurde, gab er schließlich den Versuch auf, und zerrte sie weiter, indem er sich hinabbeugte und ihr unter die Achseln griff. Alle zwei oder drei Schritte blieb er stehen, um seinen Atem in ihre Lungen zu zwingen. Endlich stieß sein Kopf wieder auf Sauerstoff, den er zitternd, mit rasselnden Lungen, einatmete. Allart zerrte Cassandra mit letzter Mühe hoch, hielt ihren Kopf aus dem nebelhaften Gas heraus, taumelte wie betäubt aufs Ufer zu und brach neben ihr auf dem Gras zusammen. Er lag da, atmete in ihren Mund und drückte ihre Rippen, bis Cassandra anfing zu keuchen und einen klagenden Schrei ausstieß, der dem eines neugeborenen Kindes, dessen Lungen sich mit dem ersten Atemzug füllten, nicht unähnlich war. Schließlich atmete sie wieder normal. Obwohl sie noch immer bewußtlos war, spürte er nach kurzer Zeit in der zunehmenden Dunkelheit, wie ihre Gedanken die seinen berührten. Dann flüsterte sie, noch immer geschwächt: »Allart? Bist du es?«
»Ich bin hier, mein Liebes.«
»Mir ist so kalt.«
Allart hob seinen Umhang auf und wickelte sie ein. Er hielt sie fest umarmt und murmelte endlose Koseworte.
»Preciosa … Bredhiva … Mein Schatz, mein Geliebtes, warum… Wie … Ich dachte, ich hätte dich für immer verloren. Warum wolltest du mich verlassen?«
»Dich verlassen?«, flüsterte sie. »Nein. Aber es war so friedlich im See, und ich wollte nicht mehr, als für immer in der Stille zu bleiben, keine Furcht mehr zu haben und nicht mehr zu weinen. Ich glaubte, dich nach mir rufen zu hören, aber ich war so müde … Ich habe mich nur hingelegt, um ein wenig auszuruhen. Ich war schläfrig und konnte nicht mehr aufstehen. Ich konnte plötzlich nicht mehr atmen und hatte Angst… Und dann bist du gekommen … Aber ich weiß, daß du mich nicht liebst.«
»Ich soll dich nicht lieben? Nicht wollen? Cassandra …« Allart merkte, daß er nicht sprechen konnte. Er zog sie fest an sich und küßte ihre kalten Lippen.
Später nahm er sie wieder auf die Arme und trug sie in den Turm. Die Mitglieder der Matrixkreise, die dort versammelt waren, starrten ihn erschreckt und überrascht an, aber in Allarts Blick war etwas, das sie davon abhielt, zu reden oder sich dem Paar zu nähern. Er fühlte, daß Renata ihn beobachtete und die Neugier und das Entsetzen aller. Ohne darüber nachzudenken, sah er sich, wie sie in ihren Augen erscheinen mußten: durchnäßt und mit verschmutzten Kleidern, ohne Stiefel, Cassandras aufgeweichte Kleider, die den um sie gewickelten Umhang durchnäßten, ihr langes schwarzes Haar, aus dem Feuchtigkeit strömte. Der ernste Ausdruck seines Gesichts ließ sie, als er durch die Halle und die lange Treppe hinauf schritt, zur Seite treten. Allart brachte sie zu seinem eigenen Zimmer, zog die Tür hinter sich zu und verschloß sie. Er kniete neben Cassandra hin, zog ihr mit zitternden Händen die durchnäßte Kleidung aus und wickelte sie warm ein. Sie war still wie der Tod, lag bleich und bewegungslos auf dem Kissen, ihr feuchtes Haar hing leblos herab.
»Nein«, flüsterte sie, »du willst den Turm verlassen und hast mir nicht einmal davon erzählt. Ich wäre besser gestorben, als allein mit all den andern hierzubleiben, die mich verspotten, weil sie wissen, daß ich verheiratet, aber keine Ehefrau bin und du mich weder liebst noch begehrst.«
»Ich soll dich nicht lieben?« flüsterte Allart. »Ich liebe dich, wie mein gesegneter Ahnherr vor Jahrhunderten Robardins Tochter an den Ufern von Hali liebte. Und ich soll dich nicht begehren, Cassandra?« Er drückte sie an sich, bedeckte sie mit Küssen, und spürte, wie er Leben in sie
Weitere Kostenlose Bücher