Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
Praktisches macht.«
»Warum?« Caitlin blickte auf, und ihre Augen funkelten belustigt. »Weil ich von zu hohem Stand bin, um zu etwas nütze zu sein?«
»Nein, weil Ihr eine Leronis seid. Ihr verrichtet wichtige Arbeit in einem Turm.«
»Das stimmt schon, aber nicht in jeder wachen Stunde. Der Geist braucht ebenso Ruhe wie der Körper. Das Nähen hat mir von jeher Freude gemacht. Und egal, was wir sonst machen, wir brauchen trotzdem auch warme und bequeme Kleidung, und jemand muss sie anfertigen.«
»Ihr könntet das einer Näherin überlassen.« Taniquel hatte noch nie freiwillig etwas genäht, ganz sicher nicht ihre eigene Kleidung.
Caitlin nickte und ging wieder an ihre Arbeit. »Und dann hätte ich nicht das Vergnügen, für jemanden, der mir wichtig ist, etwas Schönes zu erschaffen. Das hier«, sie hielt das Hemd hoch, »wird viele Jahre gute Dienste leisten, wenn ich umsichtig nähe.«
Taniquel beugte sich interessiert vor. »Ist es für Euren Vater oder Bruder bestimmt?«
»Für einen lieben Freund in Hali.« Caitlin betonte das Wort Freund, um auf eine tiefere Seelenverwandtschaft hinzuweisen.
Taniquel stellte fest, dass sie errötete. Hatte die spröde und rechtschaffene Caitlin einen Geliebten? Sie hatte schon gehört, dass Turmarbeiter die üblichen Schicklichkeitsregeln nicht beachteten. Coryns Bild, wie er nackt in den blauen Flammen stand und mit unendlicher Zärtlichkeit die Hände nach ihr ausstreckte, zuckte hinter ihren Augen auf.
»Ach du meine Güte«, sagte Caitlin und legte lächelnd ihre Arbeit zur Seite. »Du hast mir gar nicht gesagt, dass du verliebt bist.«
»Ich bin nicht… « Taniquel sprach nicht weiter. Sie hatte Coryn nur einmal kurz bei ihrer Ankunft in Thendara erwähnt, um zu erklären, warum sie an ihren Erfrierungen nicht gestorben war.
»Habt Ihr meine Gedanken gelesen?«
»Du hast mich mit dem Bild deines jungen Mannes schier überrannt - der aus Tramontana, nicht wahr?«
Taniquel errötete noch etwas mehr. »Aber er soll Bewahrer in Neskaya werden, so wie ich dann Königin und Regentin von Acosta bin, wenn die Götter es so wollen.«
Caitlin strich mit den Fingerspitzen über Taniquels Handrücken, eine Geste, die sie quälend an Coryn erinnerte. »Ich kann nicht die Zukunft lesen, vielleicht hast du Recht. Aber so viel weiß ich.« Taniquel hörte den Unterton von Erfahrung in der Stimme der älteren Frau. »Ein Leben, das von der Liebe berührt wurde, egal wie flüchtig, ist unendlich viel besser als ein Leben ohne Liebe.«
Taniquel begab sich mit ihrem Onkel und seinem Friedensmann, in Begleitung von Lady Caitlin, am nächsten Morgen in den Sitzungssaal. Als sie den Innenhof überquerten, wärmte die Sonne sie, und der Duft von Büscheln kleiner rosa Blüten der am Spalier wachsenden Reben hüllte sie ein, doch sie konnte die Schönheit des Tages nicht recht genießen. Als sie Rafael gefragt hatte, was in der Nacht zuvor geschehen war, weigerte er sich mehr zu sagen als.
»Wenn du morgen aussagst, antworte nur auf das, was du gefragt wirst, und sag sonst nichts. Vor allem darfst du Deslucido nicht herausfordern. Das brächte dir nur die sichere Niederlage.«
Sie durchquerten ein äußeres Foyer, in dem man in kälteren Jahreszeiten die Reisemäntel und schlammverspritzten Stiefel ablegen konnte, um sich die froststeifen Finger an Bechern dampfenden Jacos zu wärmen und Höflichkeiten auszutauschen. Jetzt war das Foyer lediglich ein schön geschnittener, irgendwie leer wirkender Raum. Eine Schale mit gelben Rosen war auf einen Nebentisch gestellt worden und verbreitete einen betörenden Duft, so zart, dass man ihn kaum wahrnahm.
In der inneren Kammer blieb Taniquel nur wenig Zeit, sich umzusehen, bevor sie neben ihrem Onkel Platz nahm und Lady Caitlin hinter ihnen. Ihr erster Eindruck änderte sich nicht. Die runden Wände bildeten aufsteigende Terrassen, sodass jede Person die Gesichter der anderen sehen konnte. Sie war eindeutig für weit mehr als das anderthalb Dutzend Personen geschaffen worden, das hier saß und mit ruhigen, feierlichen Mienen vor sich hinsah. In der Versammlung hatte sie eigentlich nur Männer erwartet, doch es gab auch einige Frauen. Sie blickte sie neugierig an und spürte den Hauch ihrer Gegenwart, als sie flüchtig zurückschauten.
Damian Deslucido, der auf der anderen Seite des ovalen Tisches saß, begegnete ihrem Blick, und sie glaubte in seinen Augen den sicheren Sieg zu lesen. Der Bewahrer, der ihnen die Pforten der
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