Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
hatte, waren sein Hemd und seine Weste schon durchnässt.
Coryn rief Rafe zu, der keine Zeit damit vergeudet hatte, nach seinem Mantel zu suchen: »Wir müssen hier raus!« Durch den Regenschleier hindurch konnte er das Dickicht auf dem Talgrund erkennen. Es würde nicht viel Schutz bieten, aber mehr, als sie hier hatten.
Dann sah er - spürte er -, wie ein unsichtbarer Fluss die v-förmige Schlucht hinabtoste, mit jedem verstreichendem Moment schneller wurde und alles in seinem Weg mitriss - Menschen und Pferde ebenso wie Bäume.
»Ein Sturzbach!«, schrie Coryn.
Rafe hatte sein Pferd und das Packtier schon wieder hangaufwärts gelenkt. Tänzer und das Chervine machten es ihnen eifrig nach, als wären auch sie sich der Gefahr bewusst.
Wieder aufzusteigen war schwerer, als Coryn für möglich gehalten hätte. Seine Stiefel glitten auf dem losen Geröll aus, das jetzt nass vom Regen war. Ein Stein gab nach und rutschte weg, als er darauf trat. Schmerz schoss die Außenseite seines Knöchels hoch.
Einige Minuten später verlor Tänzer den Halt und rutschte nach hinten in ein Kiesfeld ab. Die Vorderhufe des Pferdes bearbeiteten hektisch den Hang. Unten fluchte Rafe; einer der Kiesel musste ihn getroffen haben. Coryn ließ den Zügel fallen, statt zu riskieren, dass er abriss. Mit klopfendem Herzen sah er zu, wie der Braune noch einige Fuß weit rutschte und dann festsaß, mit der Hinterhand auf dem Boden. Weiß umringte seine Augen.
Coryn kletterte zu Tänzer hinab und nahm die Zügel auf. »Ruhig, ganz ruhig«, murmelte er und strich dem Pferd über das Fell.
Tänzer erbebte bei der Berührung. Er spürte die Furcht des Tieres wie eine auf ihn einbrandende Woge. Doch je mehr er das Pferd beruhigte, desto ruhiger wurde er selber.
Der Regen kam in einem Sturzbach herab und machte es unmöglich, weiter als ein paar Meter zu sehen. Ein heftiger Wind blies und trieb die Tropfen tiefer in die Falten von Coryns Mantel. Einen schmerzenden Schritt nach dem anderen führte Coryn das Pferd den Abhang hinauf, dorthin, wo sein Pack-Chervine stand und den Schädel schüttelte, so dass in alle Richtungen Wasserspritzer davonflogen.
»Hat keinen Zweck weiterzureiten«, sagte Rafe, als er seine Tiere auf gleiche Höhe mit Coryn brachte. »Wir halten an und warten, bis es vorbei ist.«
Rafe hatte Recht. Es würde Stunden dauern, bis sie sich zum oberen Ende des Felssturzes hinaufgearbeitet und einen Weg durch das Geröllfeld gebahnt hatten. Selbst dann fanden sie sich vielleicht noch in genau der gleichen Lage ohne angemessenen Schutz wieder, noch ausgelaugter und hilflos dem Wetter ausgesetzt.
Rafe stapfte, ohne eine Antwort abzuwarten, auf die Felsenbarriere zu. Aus dieser Nähe bot sie einen geringfügigen, aber merklichen Schutz vor dem Wind.
»Da!«, sagte Rafe.
Coryn konnte nicht erkennen, worauf der alte Soldat deutete, doch als sie weitergingen, sah er einen zerklüfteten Überhang, bei dem sich ein großer, flacher Felsen wie eine Tischplatte zwischen stützenden Wänden nach vorne schob. Er war kaum tief genug für sie beide, doch der Boden darunter wirkte einigermaßen trocken.
»Satteltaschen - hierhin. Decken - da.« Mit ein paar knappen Anweisungen richtete Rafe die kleine Unterkunft ein. »Rein!«
Halb stieß er Coryn in den hinteren Bereich des geschützten Bereichs. »Raus aus den Klamotten!«
»Aber… « Coryn verkniff sich seinen Einwand. Hemd und Weste waren bis auf die Haut durchnässt, und jetzt, da er nicht mehr kletterte, drang Kälte hindurch. Hier unter dem Felsvorsprung, geschützt vor dem Wind, ging es besser, aber nicht viel.
Auch er wusste, dass nasse Kleidung dem Körper Wärme entzog, sogar wenn es draußen gar nicht so kalt war.
Er legte seinen Mantel zur Seite, der dick genug war, um innen noch trocken zu sein. Zitternd zog er seine Stiefel und die nasse Kleidung aus. Ein jäher Windstoß schnitt wie eine Messerklinge über seine nackte Haut. Im nächsten Moment drückte Rafe ihm ein Bündel in die Hände - sein Winterhemd und eine Hose aus weicher, dicker Wolle, die Rafe irgendwie aus den Tiefen eines Chervine-Bündels hervorgekramt hatte.
Als Coryn seine trockene Kleidung endlich angezogen hatte, war Rafe schon neben ihm und hatte das Chervine gezwungen, sich hinzulegen, so dass sein Körper den schlimmsten Wind abhielt. Die Pferde, unweit der Öffnung angebunden, nahmen mit gesenkten Köpfen und zwischen den Rümpfen eingeklemmten Schweifen Posen griesgrämiger Standhaftigkeit
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