Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
und sich einen alten Kittel mit entsprechendem Unterzeug angezogen. Ihre Augen waren gerötet, und sie schniefte. Rumail nahm ihre kleine Hand in seine und sagte: »Möge die Verbindung dieser Kinder unseren Ländern fortdauernde Freundschaft und Wohlstand bringen. Möge sie der Bote einer neuen Welt sein, einer, in der Brüder nicht mehr Krieg gegeneinander führen, sondern gemeinsam unter einem König leben und sich alle der gleichen gerechten Herrschaft beugen.«
»Friede und Glück unseren Kindern und deren Kindern ist unser innigster Wunsch«, erwiderte Beltran.
»Die Frage ist«, murmelte Petro, als sie die Festtafel verließen, »welchem König und wessen Auffassung von Gerechtigkeit?«
Coryn, dessen Magen vom üppigen Essen schon rebellierte, wandte sich seinem Bruder zu. Sie hatten sich ein wenig abgesetzt und sprachen mit gesenkter Stimme. Gewöhnlich achtete er wenig auf Petros Auslassungen, doch nun fragte er: »Meinst du, König Damian - oder Dom Rumail - sind vielleicht… « Er brachte es nicht über die Lippen, zu sagen: sind vielleicht Tyrannen? Er wusste wenig von König Damian Deslucido, doch Rumail erfüllte ihn mit einem Unbehagen, das er nicht in Worte kleiden konnte.
»Ich weiß nicht«, erwiderte Petro. »Dom Rumail war uns immer ein guter Freund, und über diesen Damian habe ich noch nichts Nachteiliges gehört. Meine Vorbehalte gelten jedem König. Wenn einer über so viele herrscht, wem ist er dann verpflichtet? Wenn ein gewöhnlicher Mensch ungerecht behandelt wird, wenn ein Bauer hungert, weil königliche Soldaten ihm das Getreide rauben, oder einem Waldbewohner die Hand abgehackt wird, weil er sich nicht schnell genug vor dem König verbeugt -, was bleibt ihm dann anderes übrig, als zu den Waffen zu greifen? Und was könnte den König dann noch daran hindern, sich gegen sein eigenes Volk zu wenden? Aber das sind gefährliche Gedanken, kleiner Bruder. Behalt sie für dich. Versprich es mir.«
Coryn schluckte, nickte und dachte an sein eigenes undeutbares Misstrauen gegenüber Rumail.
Die Gruppe ging weiter in den Hof, wo Rumails Pferd und Packtier schon bereitstanden und sie erwarteten, sowie Coryns Pferd Tänzer und ein Chervine, beladen mit allem, was ein junger Mann sich nur wünschen konnte, der in einen Turm eintreten wollte, von einer wattierten Steppdecke bis zu einer wohltuenden Winterbeerenlotion, Dosen mit kandierten Feigen und Kandiszucker, sogar einem Satz Rohrflöten, um sich die langen Winterabende zu vertreiben.
Coryns Begleiter, ein Viehhändler namens Einäugiger Rafe, wartete neben seinem Reittier. Niemand wusste, wie er sein Auge verloren hatte, obwohl das andere so blass aussah, als wäre durch zu langes Starren in die Sonne alle Farbe herausgebrannt worden.
Coryn kannte den Mann nicht sehr gut, hatte kaum ein paar Sätze mit ihm gewechselt. Den Gerüchten nach, die in der Burg kursierten, war Rafe in seiner Jugend Söldner gewesen, und er machte durchaus den Eindruck, als könne er einhändig eine kleine Armee besiegen. Das in einer zerschlissenen Lederhülle an den Schenkel gebundene Langmesser hatte ihm gute Dienste geleistet.
Als die letzte Runde der Verabschiedungen und herzlichen Wünsche sich dem Ende zuneigte, beugte Rumail sich zu Coryn vor. »Wenn ich dich mit meinen freimütigen Worten erschreckt habe, so sollten diese nur verhindern, dass du deine schweren Symptome zu leicht nimmst.«
Rumails Nähe jagte Coryn einen Schauder über den Rücken.
Erleichtert wandte er sich Margarida zu, die ihn ein letztes Mal umarmen wollte. Dann begab er sich zu Tänzer und griff nach dem Zügel, um aufzusitzen.
Rumail hielt ihn mit einer einzigen, federleichten Berührung auf dem Handrücken zurück. »Du fühlst dich jetzt besser, wie ich sehe. Kirian hat manchmal eine anhaltende, heilende Wirkung. Aber das Reisen, auch für einige wenige Tage, kann dieses heikle Gleichgewicht gefährden.«
Er machte eine Geste zu Rafe. »Wenn der junge Herr einen erneuten Anfall von Schwellenkrankheit erleiden sollte, musst du dafür sorgen, dass er gut isst und warm gehalten wird. Wenn er die Orientierung verliert - nicht weiß, wo er ist, dich nicht mehr erkennt, verwirrt zu sein scheint oder nichts mehr zu sich nimmt -, dann musst du ihm das hier geben.« Rumail hob ein kleines Glasfläschchen hoch, halb voll mit einer farblosen Flüssigkeit. Er verstaute es in einem Ledersäckchen mit Baumwollschnur und reichte es Rafe. »Nur immer einen Löffel voll. Wenn er noch reiten
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