Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
gegenüber auf einer Bank saß und einen schluchzenden Pagen tröstete. Die beiden stahlgrauen Wolfshunde, die Padriks Lieblinge gewesen waren, liefen vor dem Thron auf und ab und umkreisten ihn. Die Wölfin knurrte, als Taniquel sich näherte, doch der Rüde lief zu ihr und leckte ihr die Hand.
Taniquel ging an dem kleineren Stuhl vorbei, auf dem sie bisher noch immer gesessen hatte, und nahm auf dem Thron Platz, einen Augenblick lang dankbar, dass Padrik für weiche Kissen nichts übrig gehabt hatte. Sie brauchte jetzt seine unbeugsame Härte.
»Bleibt bei mir«, sagte sie zu Gavriel, und er nahm seinen üblichen Posten hinter Padriks Stuhl ein.
Mehr und mehr Angehörige des Haushalts strömten in den Raum, und jeder verbeugte sich schweigend vor ihr, obwohl nur wenige in die Nähe des Throns kamen. Sie sah viele, die noch nie an einem offiziellen Empfang teilgenommen und diesen Raum lediglich als einen Ort gekannt hatten, den es zu polieren oder zu putzen galt. Manche trugen Kinder auf den Armen, eine stillte ihr Baby.
Gavriel näherte sich mit dem Zepter, das so selten benutzt worden war. »Für die Verletzten ist gesorgt«, sagte er und führte die genauen Maßnahmen aus.
»Sagt dem Coridom, dass er gute Arbeit geleistet hat«, entgegnete sie mit einer Geste, die den funkelnden Raum und die Gruppe der Anwesenden einschloss.
Abermals verneigte er sich. »Können wir noch etwas für Euer Majestät tun?«
»Nein, es gibt nichts mehr zu tun. Unser Schicksal liegt in den Händen der Götter. Nehmt Euren Platz ein.«
Ach, Padrik!, hallte es in ihrem Hinterkopf. Jetzt wirst du nie mehr von deinem Sohn erfahren! Sie brachte die lästige Stimme zum Schweigen und schob das Kinn vor. Die freie Hand ließ sie auf der Stuhllehne. Sie wollte sich vor dem Eindringling keine Blöße geben, keine Spur von Aufregung oder Gram zeigen.
Sie brauchte nicht lange zu warten, bis das Poltern von Stiefeln und das Klirren von Sporen und Rüstungen draußen durch den Korridor klangen. Spannung hing in der Luft. Männer in den Farben Deslucidos strömten mit gezückten Schwertern in den Raum.
Höflinge katzbuckelten. Einige schrien auf, während andere mit panischen Blicken zum Thron starrten. Obwohl ihr das Herz gegen die Rippen schlug, blieb Taniquel reglos sitzen. Solange sie fest blieb, solange sie nicht zerbrach, würde auch ihr Volk standhaft bleiben.
Ich bin eine Comynara und eine Hastur. Ich muss das Erbe von Acosta antreten. Diese Vorstellung ließ sie verzweifeln und verlieh ihr zugleich Stärke.
Sie erkannte die Offiziere von Ambervale an ihrer Kleidung und Haltung, der überheblichen Art, wie sie zu beiden Seiten des Podestes Stellung bezogen, ohne auch nur einmal in ihre Richtung zu blicken. Ihnen gegenüber stand eine Gestalt in einer langen grauen Robe, deren Kapuze das Gesicht in Schatten hüllte.
Der Laranzu! Sie wusste, dass sie jetzt den Ursprung des Dranges sah, die Tore geschlossen zu halten. Ein Gefühl von Angst befiel sie.
Hörnerschall drang herein, der die Steine zum Klingen brachte.
Die Menge der Bewaffneten teilte sich. Zwei Männer schritten hindurch bis zur Mitte des Raums, dicht gefolgt von einem älteren, grauhaarigen Mann in Generalsuniform. Der erste Mann bewegte sich mit maßlosem Selbstvertrauen und größter Leichtigkeit. Die Rüstung unter seinem schwarzweißen Umhang war von erlesener Einfachheit und zeigte die funkelnde Patina reichlichen Polierens. Erst als er sich genähert hatte, sah sie die Falten in seinem Gesicht, denn seine Bewegungen gaben keinen Hinweis auf sein Alter. Er hätte sechzehn oder sechzig sein können. Das musste Deslucido sein, erkannte Taniquel mit einer rasch unterdrückten Geste des Erstaunens, der persönlich zu den Verhandlungen kam, statt sie einem Stellvertreter zu überlassen. Er musste viel Selbstbewusstsein besitzen.
Ihr Blick huschte zu dem jungen Mann, der neben Deslucido ging, immer sorgsam einen halben Schritt hinter ihm. Selten hatte sie einen Mann von so überragender Schönheit gesehen.
Augen, so blau wie Bruchstücke des Sommerhimmels, musterten sie gelassen und sahen sie auf eine Weise an, dass ihr ein Schauer über den Rücken lief. Goldenes Haar glitzerte, als wäre der Raum eigens dafür geschaffen, seine strahlende Erscheinung noch zu verstärken. Ihrer Erfahrung nach gingen mit einem solchen Aussehen oft Hochmut und Selbstsucht einher. Obwohl die Haltung des jungen Mannes durch nichts auf solche Eigenschaften schließen ließ, war er ihr
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