Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
auf Anhieb unsympathisch.
Deslucido blieb einige Schritte entfernt von ihr stehen und verbeugte sich knapp wie ein Edelmann, der einer Lady niederen Ranges gegenüber Höflichkeit bezeigt. »Es ist nicht nötig, dass Ihr Euch erhebt, Vai domna, um uns willkommen zu heißen.«
»Ich habe nicht die Absicht, meinen Platz aufzugeben«, erwiderte sie steif, »und willkommen seid Ihr in Acosta ganz sicher nicht.« Tapfere Worte, sagte sie sich. Was hoffte sie dadurch zu gewinnen, dass sie das Unvermeidliche hinauszögerte? Und doch… anscheinend wollte er etwas von ihr, sonst hätte er sie vom Thron gezerrt und ihr den Kopf abgeschlagen oder sie in den Obstkeller geworfen, der in der Burg Acosta als Verlies diente.
Ein Lächeln huschte über Deslucidos Züge, als er ihre Entgegnung vernahm. Dann verhärtete sich sein Mund. »Euer Gemahl ist tot, Eure Streitkräfte sind entwaffnet, und Eure Burg ist von meinen Männern besetzt. Selbst wenn Ihr noch über Mittel der Gegenwehr verfügtet, könntet Ihr, eine bloße Frau, dieses Land nicht regieren. Ich habt keine andere Wahl, als Euch zu ergeben.«
Taniquel schluckte eine geharnischte Antwort hinunter. Die Finger ihrer freien Hand gruben sich in die geschnitzte Stuhllehne, doch sonst ließ sie sich nichts anmerken. »Und was sind Eure Bedingungen?«
»Mylady, gnädige Königin«, diesmal verbeugte er sich feierlich, »es verlangt mich nicht danach, Euch oder Eurem Volk Gewalt anzutun. Vielmehr ist es mein Wunsch, dass alle in diesen Mauern, alle in den Grenzen Acostas, in Frieden und Verbundenheit leben. Mir ist klar, dass das für Euch nur schwer zu akzeptieren sein wird, in Anbetracht dieses Pöbels«, er deutete mit dem Kinn zu seinen eigenen Leuten, und der Ansatz eines Lächelns lud sie ein, seinen Scherz zu teilen, »der Euer Zuhause besetzt hält.
Doch mit der Zeit werdet Ihr einsehen, dass nicht mehr Schaden angerichtet wurde als unbedingt nötig und dass dieses kleine Opfer um eines größeren Wohles willen erbracht werden musste, für einen sicheren, dauerhaften Frieden.«
Ein sicherer und dauerhafter Frieden? Bei den Göttern, wovon schwafelt dieser Mensch? Hat er den Verstand verloren?
»Es ist meine Absicht, dass Euer Volk so weiterlebt wie bisher, nach seinen eigenen Bräuchen und im Bündnis mit Acosta, doch einem Acosta, das nun durch unverbrüchliche Treuebande an meine größeren Königreiche Ambervale und Linn gebunden ist.
Ihr selbst sollt hier leben, nach der Art, die Ihr gewohnt seid, von Euren eigenen Dienern umsorgt. Ihr dürft Euren Gemahl mit allen Riten und Ehren bestatten, die ihm gebühren, geradeso als hätte er gesiegt. Denn in einem sehr viel umfassenderen Sinn hat Acosta tatsächlich gesiegt.« Diese letzten Worte klangen durch die Halle und wurden mit verwirrten und erstaunten Blicken aufgenommen.
»Was verlangt Ihr als Gegenleistung, Vai dom?«, erwiderte Taniquel mit so viel Höflichkeit, wie sie aufbringen konnte. »Welchen Tribut? Soll das heißen, Ihr habt nicht vor, Acosta selbst zu regieren?«
Ein Lächeln erhellte die rissigen Züge, so strahlend wie die Sonne nach einem Sturm. »Ich habe nichts dergleichen vor.« Er hielt inne, als eine zweite Woge des Erstaunens durch die Halle ging. Rufe und geflüsterte Bemerkungen summten wie ein Dutzend Honigbienen. Taniquels Herz machte trotz ihres Argwohns einen kleinen Sprung. Ebenso rasch kehrte wieder Stille ein. Alle waren ganz Ohr, was wohl als Nächstes kam.
»Mein Sohn Belisar wird König von Acosta werden, mit Euch als seiner Königin.«
Wie aus weiter Ferne vernahm sie ein paar vereinzelte Jubelrufe. Deslucido bot ihr eine ehrenvolle Alternative zur Hinrichtung oder zum Exil.
Hinter diesem Vorschlag steckten alles andere als uneigennützige Motive, denn die Situation wäre für Deslucido von großem Vorteil. Als Belisars Braut würde ihre Stellung als Königin und ihr Rang als Hastur-Tochter seiner Herrschaft gesetzliche und moralische Legitimität verleihen. Die Chancen eines Aufstands, sogar eines vergeblichen, würden sich verringern, denn wer würde eine königstreue Rebellion gegen die wahre Königin ausrufen?
Vielleicht hast du Acosta durch Magie und Gaunereien erobert, aber bei mir gelingt dir das nicht! Lieber würde ich mir die Kehle durchschneiden, bevor ich dir und deiner Brut ein Anrecht auf den Thron einräumte.
Ein Schauder durchlief sie, als hätte jemand einen Eimer halb gefrorenes Wasser über ihr ausgeschüttet. Die Gestalt in dem grauen Kapuzenmantel
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