Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
da.«
»Mylady!« krächzte Verella Castamir, ein junges, gertenschlankes Mädchen aus den Venza-Bergen.
Es hätte nicht mehr viel gefehlt, und Taniquel wäre der Geduldsfaden gerissen. Was glaubten diese Närrinnen eigentlich, wie sie Deslucido begegnen sollten - oder ihrem siegreichen Gemahl, falls er durch irgendein Wunder vielleicht doch überlebt hatte, obwohl der Schmerz, der ihr schier das Herz zerriss, diese Hoffnung kaum noch zuließ… mit Haaren, die in allen Richtungen abstanden, und in einem alten, schlammverdreckten Kleid?
»Bewegt euch!«
Als man ihnen etwas Vertrautes zu tun gab, eine Routine, die sie so genau kannten wie das Innere ihrer Boudoirs, gab es für die Zofen kein Halten mehr. Verella schnürte Taniquels bernsteinfarbenes Kleid auf und streifte es ihr über den Kopf, Rosalys nahm den Handgelenkschoner ab und wischte ihr mit Rosenwasser den Schlamm vom Arm, während Betteny, die dritte, den spitzenbesetzten Linex-Unterrock und das Seidenhöschen bereitlegte. Bis das Kleid an Ort und Stelle war, hatte auch Piadora sich zu ihnen gesellt und half mit, die Reihen der kleinen gelben Diamantköpfe zu schließen. Der Ausschnitt des Gewands war höher als gerade in Mode, doch das Kleid betonte ihre Brüste und Hüften und war an der Taille ausgestellt, zog sich an der Vorderseite etwas nach unten, so dass der Rumpf länger wirkte. Zarte Spitze aus Spinnenseide, mit goldenen Fäden durchwirkt, hing von den weiten Ärmeln.
»Die Farben?«, sagte Taniquel, und gleich darauf trug sie zwei Schärpen mit den offiziellen Mustern von Acosta und Hastur. Vor dem Gold des Gewandes und dem schmucklosen Mieder hoben sie sich ganz vortrefflich ab.
Verella und Betteny standen mit Puder und Schminke bereit, mit Bürsten und Kämmen, Duftölen in Kristallfläschchen, einem passenden juwelenbesetzten Haarnetz und einer Halskette aus kostbarem Kupferfiligran.
Gerade als Rosalys ihr ein samtbeschlagenes Kästchen mit Ringen hinhielt, klopfte es an der Tür. Auf Taniquels Geheiß trat ein junger Acosta-Offizier ein. Helles Blut tränkte den Stoff über seiner rechten Schulter.
Taniquel schob das Kästchen mit den Ringen zur Seite. Dafür hatte sie jetzt keine Zeit mehr.
»Min… Eure Min… « Er warf sich vor ihr auf die Knie, den Kopf gesenkt. Seine Schultern bebten vor Schluchzen.
Er ist ja noch ein halbes Kind, dachte sie, obwohl sie nur wenige Jahre älter war. Sie wusste mit tödlicher Gewissheit, was er mühsam herauszubringen versuchte. Sie wusste es durch dieses ansatzhafte Laran, das man einer Ausbildung nicht für wert erachtet hatte.
»Ich habe ihn fallen sehen«, sagte sie. Würde sie diese Worte nun den ganzen Tag wiederholen?
Ach, Padrik!
»Er… er wurde gemeuchelt, Lady. Er ist… « Wieder durchlief ein Krampf den Körper des Jungen. Mit sichtlicher Mühe gewann er seine Fassung zurück und blickte zu ihr hoch. Schlamm und Tränen bildeten Streifen in seinem bartlosen Gesicht.
»Kommst du von Hauptmann Branciforte? Dann überbring ihm folgenden Befehl. Er soll Deslucidos Streitkräften einen Waffenstillstand anbieten, damit wir die Bedingungen der Übergabe aushandeln können. Die Kämpfe müssen ein Ende finden, ich will kein weiteres Blutvergießen mehr. Ich werde ihre Abgesandten im Thronsaal empfangen.«
Der Junge rappelte sich auf, verneigte sich tief und ging.
»Begleitet mich.« Jäh wandte Taniquel sich an ihre Zofen, die einander mit großen Augen ansahen und sichtlich zitterten. Man hatte ihnen beigebracht, eine komplizierte Stickerei auszuführen oder wie man den zweiten Tanz mit einem unerwünschten Freier ablehnte. Wenn sie sich angesichts einer Schlacht in Rabbithorns verwandelten, war das wohl kaum ihre Schuld.
Taniquel verlieh ihrer Stimme so viel Sanftmut wie möglich.
»Was auch immer geschieht, vergesst nie, dass ihr von edler Herkunft seid und einer Königin dient.«
Taniquel betrat den Thronsaal durch eine Nebentür, die Padrik stets bevorzugt hatte. Mit einem knappen Willkommensgruß bot Gavriel ihr seinen Arm und geleitete sie die Stufen des Podests hinauf.
Der Coridom hatte gute Arbeit geleistet. Die Halle strahlte, dass sie der Sonne am Mittsommertag hätte Konkurrenz machen können. Gold und Samt glänzten wie Edelsteine, und selbst die verblichenen Wandteppiche funkelten. Einige Höflinge, Männer und Frauen, die zu alt zum Kämpfen waren, standen flüsternd herum. Sie verbeugten sich gemeinsam vor ihr, alle bis auf eine Zofe, die an der Wand
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