Darkover 04 - Der Untergang von Neskaya
sagte er wahrheitsgemäß, dass er nur eine auf einmal tragen könne. Er war nicht mehr der Knabe, der mit Bündeln nach Tramontana aufgebrochen war, die von zusätzlichen Annehmlichkeiten überquollen.
Als alle Vorbereitungen getroffen waren, schwang Tani sich in den Sattel und ergriff die Zügel. Die Luft begann sich durch die aufsteigende Sonne schon zu erwärmen und verhieß einen schönen Tag. Das alte Pferd sah ausgeruht aus und hatte nicht mehr gelahmt, als er es zum Satteln nach draußen geführt hatte, Coryn stand neben dem Steigbügel, schaute zu Tani hoch und erinnerte sich, wie Kristlin an dem Tag, als er nach Tramontana davongeritten war, zu ihm hochgeschaut hatte.
Tani zog die Augenbrauen zusammen, und einen Moment lang nahm ihr Blick diesen leicht abwesenden Ausdruck an. Sie sah aus, als wollte sie etwas sagen.
Nein, beschloss sie. Es soll hier enden. Er würde die Erinnerung an sie bei sich tragen wie das Taschentuch seiner Mutter, dicht über dem Herzen gefaltet.
»Adelandeyo,« sagte er und trat zurück, um dem Pferd einen Klaps auf den Rumpf zu geben. Geh mit den Göttern. Dann drehte er sich um und ging wieder in die Hütte zurück, um seine eigenen Sachen zu packen.
Coryn überquerte den letzten Hügel und sah zum ersten Mal den Turm von Neskaya, der hinter der alten und blühenden Stadt gleichen Namens aufragte. Es war schon spät am Tag, und die dräuende Dunkelheit breitete ein schillerndes Tuch am weiten, offenen Himmel aus. Das Herz schlug ihm bei diesem Anblick bis zum Hals. Er fragte sich, ob er das vielleicht alles nur träumte, diese Türme aus blassblauem durchscheinenden Stein, der sanft wie Mondschein in der Ferne leuchtete.
Die Stadt Neskaya war bei weitem die größte Ansammlung menschlicher Bewohner, die er jemals gesehen hatte. Als er hindurchritt, staunte er über die verschiedenen Baustile und -materialien. Stein und Ziegel ebenso wie Holz, das unendlich kostbare Glas, die Farben und bemalten Schilder, das Durcheinander von Melodien, die Rufe der Straßenhändler, das muntere Geplapper und die Tiere.
Sein Pferd, müde und lahm, forcierte den Schritt, als es vor sich Heu und einen trockenen Stall witterte. Die Details des Turms wurden deutlicher, als er sich näherte, die Anmut der Linien, die erlesene Handwerkskunst beim Zusammenfügen der Steine, das mit Laran erfolgt war, der Torbogeneingang und die Fenster, die so angelegt waren, dass sie die Wintersonne einfingen.
Die Vordertüren, auf Hochglanz polierte Esche, die golden glänzte, standen offen, und einige Halbwüchsige spielten ein Spiel mit Knüppeln und Bällen im Innenhof. Ein Mann in schlichter warmer Kleidung, einer Tunika über einer Hose, die in Bergstiefeln zum Schnüren steckte, trat vor und begrüßte Coryn.
»Ah, wir erwarten Euch schon seit drei Tagen«, sagte der Mann, nachdem er sich als Mechaniker vorgestellt hatte. Er hatte ein breites, offenes Gesicht mit Lachfalten um Augen und Mund und rostrotes Haar, das ihm in einem Dutzend kleiner Zöpfe über die Schultern fiel. Er fragte nicht nach dem Grund für die Verspätung, drückte nur seine Erleichterung über Coryns sicheres Eintreffen aus.
Es kamen noch andere, um ihn willkommen zu heißen, darunter auch der Bewahrer, der ihn ausbilden sollte. Nach dem Abendessen lud Bernardo Alton Coryn auf eine Tasse Jaco mit süßer Gewürzrinde ein. Im Gegensatz zu Kieran, dessen innere Ruhe seine nüchterne Unterkunft durchdrungen hatte, war Bernardo immer in Aktion, und seine Räumlichkeiten spiegelten die Vielfalt seiner Interessen wider. Helle, farbige Zeichnungen von Bergen und Adlern, Kerzen in der Form von Bäumen, eine geschnitzte Truhe aus schwarzem Holz mit kleinen Schubladen in einem Stil, den Coryn noch nie gesehen hatte, ein seltsames Gerät aus Leder und Metallfedern und ein Ballen ungesponnener Wolle in Orangetönen fielen Coryn ins Auge. Wie das Zimmer selbst sprühte Bernardo förmlich vor Energie und Einfallsreichtum; dünn und sehnig wie eine Peitschenschnur fand er kaum jemals Ruhe.
»Es tut mir Leid, dass ich Euch mit traurigen Nachrichten willkommen heißen muss, aber gestern Abend hat uns über Relais die Kunde erreicht«, sagte Bernardo, »dass Kieran nach einem Fieberanfall gestorben ist.«
Coryn senkte den Blick und wappnete sich gegen einen jähen Schmerz. Doch er blieb aus, als wäre das letzte Geschenk des Bewahrers ein friedliches Herz gewesen. Er erinnerte sich an den grauen Schimmer in Kierans Augen beim Abschied und
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