Darkover 05 - Zandrus Schmiede
dünn, als wäre sie lange nicht benutzt worden, antwortete ihm.
Wer ist da? Wer ruft - Rumail Deslucido?
Eduin, dein Sohn.
Eine Pause, dann die Antwort, schwach und wie aus weiter Ferne: Mein Eduin? Ich habe ihn zu meinen Feinden geschickt. Vor langer Zeit. Ah, mein Eduin! Bist auch du tot und rufst mich nun aus der Anderwelt?
»Nein, Vater«, sagte er laut, denn die gesprochenen Worte würden helfen, den Geist des alten Mannes in seinem Körper zu verankern. »Ich bin hier neben dir. Ich bin nicht zu spät gekommen.«
Dann wechselte er wieder zum telepathischen Kontakt. Wir müssen deine Lunge heilen. Ich weiß, zusammen werden wir es schaffen.
O nein. Meine Zeit ist vorüber. Ich bin müde… so müde…
NEIN!, rief Eduin. Du darfst nicht sterben, nicht jetzt
Einen herzzerreißenden Augenblick lang kam keine Antwort. War er wirklich zu spät gekommen? War der Geist seines Vaters schon so weit auf dem Weg in die Anderwelt, dass er nicht mehr umkehren konnte?
Verlass mich nicht!, drang es aus den Tiefen seiner Seele.
Schweigen war die Antwort.
War dies alle Wiedervereinigung, die ihm vergönnt war - ein flüchtiger Augenblick des Kontakts? Nichts weiter? In einem schrecklichen Moment sah Eduin sein ganzes Leben verblassen, wie es nie zuvor geschehen war. Wieder war er ein Kind in diesem Zimmer. Zusammen mit dem Garten des Häuschens war das die ganze Welt, die er gekannt hatte. Sein Vater war groß und streng wie ein Gott. Eduin war der Stolz seines Vaters, seine Hoffnung. Er wusste noch nichts von Gerechtigkeit und Rache.
Hundertmal hatte er seine Zuneigung zu Carolin Hastur und seine eigenen Wünsche beiseite geschoben, den Weg, auf den sein Laran ihn geführt hätte, und alles nur um dieses Versprechens willen, das er gegeben hatte. Der einzige Gedanke, an den er sich immer klammerte, wenn es ihm so vorkam, als müsse er alles andere aufgeben, war gewesen, hierher zurückzukehren und seinen Vater lächeln zu sehen, zu hören, wie Rumail ihn lobte, wie er ihm sagte, dass er alles richtig gemacht hatte, dass er nicht versagt hatte.
Aber er hatte versagt.
Carolin Hastur lebte, und er lebte gut. Und Eduin hatte auch noch nicht einmal den Namen des zweiten Kindes von Taniquel Hastur-Acosta herausgefunden.
Er hatte geglaubt, immer noch Zeit dafür zu haben und dann triumphierend zu seinem Vater zurückkehren zu können.
Es darf nicht zu spät sein! Vater, bitte!
Noch während er flehte, spürte Eduin, wie der Geist seines Vaters tiefer ins Vergessen sank.
Kämpfe! Du musst um dein Leben kämpfen!
Wie ein letzter Atemzug war es trostloses Sich-Ergeben, das ihm antwortete.
Verzweifelt suchte Eduin nach einem Grund – ganz gleich welcher Art -, der zwingend genug war, um das schwindende Bewusstsein seines Vaters zu erreichen. Wenn er nicht um der Liebe willen am Leben bleiben wollte, dann vielleicht für seinen Hass.
Vater, nein! Du musst weiterleben, und sei es nur, um zu sehen, wie du an den Hasturs gerächt wirst!
Die Antwort kam von den Lippen seines Vaters.
»Jaaaa. Rache.«
Wo zuvor nur noch winzige Überreste von Bewusstsein gewesen waren, flackerte Rumails Geist nun erneut auf. Laran-Pfade wurden von Macht durchflutet. Selbst im Sterben strahlte seine Begabung hell.
Eduin tastete nach der erwachenden Antwort seines Vaters. Wie zwei Händepaare, die einander ergreifen, Finger, die sich ineinander verschränken, Kraft, an Fähigkeit gebunden.
Rumails Geist war mächtig, aber komplex und seltsam. Eduin erkannte die Muster von Disziplin und angeborenem Talent. Die Grundausbildung war ähnlich gewesen wie seine eigene, aber Jahrzehnte der Bitterkeit hatten ihn in ungewöhnliche Richtungen geführt. Nun ergriff Rumail Eduins geistige Energie, wie ein Bewahrer es tun würde, um sie seinem Willen entsprechend zu formen und zu benutzen.
Eduin spürte, wie seine Laran-Energie aus ihm herausgesogen wurde, schneller mit jedem Herzschlag. Panik zerrte an ihm. Je mehr er dagegen ankämpfte, desto intensiver wurden die Schmerzen. Er kämpfte, aber er musste feststellen, dass unsichtbare Krallen ihn hielten. Trüb spürte er, wie seine Brust sich hob und senkte, seine Hände sich bewegten. Sein Herzschlag hämmerte ihm in den Ohren. Dann hatte er ein Bild vor Augen - Carolins Gesicht, als seine, Eduins, Finger sich um den Sternenstein geschlossen hatten, die verdrehten Augen, das Stottern und Beinahe-Stehenbleiben seines Herzens…
Unverschämter Junge! Wie kannst du es wagen, dich mir zu widersetzen?
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