Darkover 05 - Zandrus Schmiede
am Ufer, und jemand schlug um sich. Varzil spürte, wie sich der Geist des Mannes in Schock und Überraschung schier überschlug. Schreiend stürmte Carolin vorwärts. Varzil ließ das Geschoss, das immer noch in seinen Umhang gewickelt war, liegen und drängte sich durchs Gebüsch.
Ein Mann in einer speckigen Lederweste sprang ins Wasser und platschte wild. Seine Bewegungen waren unkoordiniert, die Strömung des Flusses stark. Er verlor den Boden unter den Füßen und tauchte unter, als Carolin ins Wasser sprang.
Sie kämpften im hüfttiefen Wasser. Carolin riss den Mann hoch, eine Hand an seinem Kragen, die andere hielt ihm das kurze Schwert an die Kehle. Halb zerrte er, halb schob er den Mann aufs Ufer zu, wo Varzil wartete. Der Mann kämpfte gegen ihn an, schlug mit beiden Armen um sich, aber er konnte sich Carolins festem Griff nicht entziehen.
Carolin warf den Mann auf das steinige Ufer. Schwer atmend blieb der Attentäter auf dem zerdrückten Ried und den moosigen Steinen liegen. Varzil kniete nieder und betrachtete ihn genauer. Blaue Augen glitzerten in dem dunklen, bärtigen Gesicht wie Stücke wolkenlosen Himmels. Der Mund des Mannes bewegte sich geräuschlos. Eine Mischung aus Zorn und Angst ging von ihm aus.
»Wer hat dich geschickt?«, fauchte Carolin. »Woher hast du dieses Ding?«
»Lass mich das machen.« Varzil legte eine Hand auf Carolins Arm. Er hatte nicht die Alton-Begabung, eine Verbindung erzwingen zu können, aber er konnte viel mehr tun, von einem Geist zum anderen. Er tastete mit seinem Laran, aber er stieß auf einen Schild wie verzerrte Wolken. Er wäre nicht schwierig zu durchdringen, wenn man die Angst und Verwirrung des Mannes bedachte.
Der Mann hatte Laran genug, um den tödlichen Pfeil zu führen, aber er hätte ihn nicht herstellen können. Trotz des Hasses, der von dem Geist des Attentäters ausging, glaubte Varzil nicht, dass er den Angriff geplant hatte. Er hatte im Auftrag eines anderen gehandelt.
Varzil drang weiter vor, und die psychischen Schilde des Mannes begannen nachzugeben.
»Nein! So kriegst du mich nie!« Der Mann spuckte Varzil ins Gesicht. Einen Augenblick war Varzil vom Speichel geblendet. Er spürte, wie Carolin erschrocken zurückwich, hörte, wie der Mann auf die Beine kam, im Schlamm ausrutschte, hörte das Kratzen von feuchtem Stiefelleder auf Stein. Bis er sich die Augen gewischt hatte, hatte Carolin den Mann bereits gegen den knorrigen Fuß einer alten Weide gespießt. Der Geruch von aufgewühltem Schlamm und von Angstschweiß hing in der Luft.
Varzil konnte nur noch einen Blick auf die Augen des Mannes werfen, auf einen Ausdruck vollkommener Verzweiflung. Dann erstarrte der Attentäter, verkrampfte sich noch einmal voller Schmerz und starb. Er lehnte am Baum, ein wenig zur Seite gesackt. Der Winkel seines Kopfes und die ausgebreiteten Arme ließen ihn aussehen wie eine achtlos weggeworfene Puppe.
Varzil brauchte den Mann nicht zu berühren, um zu wissen, dass er tot war. Das plötzliche Entweichen von Lebensenergie ließ einen langsam verklingenden Lärm zurück, wie eine schlecht gestimmte Glocke, die nur einmal schlägt und dann für immer schweigt. Galle kam in Varzils Kehle hoch, und würgend beugte er sich über das Wasser.
»Bredu!« Carolins Stimme drang durch die Wellen von Übelkeit.
»Ich bin in Ordnung«, brachte er heraus. »Ist es noch weit bis zum Blauen See? Ich brauche einen sicheren Ort, wo ich diesen Mann näher untersuchen kann. Wir müssen herausfinden, wer ihn geschickt hat, um dich zu töten… und warum.«
25
Varzil hätte sich gewünscht, den Blauen See unter anderen Umständen kennen zu lernen. Das Haus und das Gelände hatten all den Zauber und die Stille, die ihn schon aus der Ferne so entzückt hatten. Das Landgut war der perfekte Ort für einen aktiven, phantasievollen Jungen, und in späteren Jahren würde es eine Zuflucht vor den Intrigen des Hofs sein.
Der Coridom des Landsitzes und die Diener, die bei Carolins Ankunft herbeigeeilt kamen, starrten mit offenem Mund die schlaffe Gestalt an, die über dem Packtier hing. Varzil sah an der Leichtigkeit und Bereitwilligkeit, mit der Carolins Befehlen gehorcht wurde, wie sehr man ihn hier liebte. Diese Leute hatten ihn schon gekannt, als er noch ein Kind gewesen war; nichts, was er als Mann tat, konnte ihr Vertrauen erschüttern. Sie brauchten keine Erklärungen, obwohl es sicher ungewöhnlich war, dass ihr Herr hier mit einer triefnassen Leiche auftauchte.
Varzil
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